So., 03.11.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Das Fest für die Toten – Sparen für den Leichenschmaus
Noch einmal kehrt Daniel Malindi zurück nach Hause. Eine Woche zuvor war er gestorben, mit 68. Jetzt bereiten die Nachbarn die Totenfeier vor, kochen und backen. Morgen soll Daniel Malindi beerdigt werden. Diese Nacht wird er noch einmal zu Hause verbringen.
In der Küche haben die Nachbarinnen das Kommando übernommen und brauen das traditionelle Bier aus Maismehl und Wasser.
Die Totenwache hält Daniel Malindis ältere Schwester. Bis zum nächsten Morgen verlässt sie den Raum nicht mehr. Für die meisten Afrikaner ist der Tod ein Übergang. Der Tote wird auch weiter mit der Familie leben, deshalb muss er diese Nacht hier verbringen.
Anna Malindi:
Für die Lebenden ist das Haus in den Tagen der Trauer auch offen. Es wird sogar erwartet, dass die Nachbarinnen helfen. In Soweto sind sie in sogenannten Beerdigungsgesellschaften organisiert. Die Sekretärin führt genauestens Buch, wer hilft und wer nicht.
Simangele Mazibuko:
Am Abend kommt der Pastor. Christliche Traditionen und die des Volkes der Xhosa lassen sich gut miteinander vereinbaren. Allerdings nimmt die Totenehrung einen größeren Raum ein als zum Beispiel in Europa.
Die ganze Nacht über werden sie über Daniel sprechen, noch einmal sein Leben würdigen.
Die Tradition sieht vor, dass die Männer im Kral neben dem Haus beerdigt werden. In Soweto ist das nicht möglich. Hier bestatten sie die Toten auf einen zentralen Friedhof: 200.000 Gräber. Der Platz geht aus, denn wer hier begraben wird, ruht hier für immer.
Dabula, Totengräber:
Es ist die Nichte, die am Morgen noch einmal Daniel Malindis Leben in Erinnerung ruft: Schuhmacher war er, geheiratet hatte er nie.
Malindis Familie ist arm, deshalb findet die Trauerfeier an einem Mittwoch und nicht am Wochenende statt. Unter der Woche kommen nicht so viele Nachbarn, die später bewirtet werden müssen.
Aber auch wenn die Familie arm ist, die letzte Reise, in Soweto tritt sie niemand alleine an. Zwei Busse füllt die Trauergemeinde, und das ist eine kleine Beerdigung. Nicht selten sind die Konvois zum Friedhof so groß, dass die Polizei die Straßen absperren muss.
Die Zeit der Besinnung: am Grab selbst ist sie erstaunlich kurz. Noch einmal singt die Gemeinde. "Halte an deinem Glauben fest auf dem Weg in den Himmel."
Die Nachbarn und Freunde stehen um das Grab, die Angehörigen wohnen der Beerdigung etwas abseits, unter dem Zelt, bei.
Schließlich schaufeln Freunde und Bekannte das Grab zu. Verwandte dürfen nicht helfen. Sie trauern. An diesem Tag wird ihnen alles andere abgenommen, so will es die Tradition.
Eine Tradition, die kostspielig ist: Eine ehrenhafte Beerdigung kostet umgerechnet mindestens 700 Euro. Nach oben gibt es keine Grenze. Bestatter verdienen gut in Soweto. Um sich so etwas leisten zu können, zahlen – vor allem die Armen – ein Leben lang in die Sterbekassen ein.
Nonhlanhla Ndaba, Bestatterin:
Es ist ein Muss, die Gäste großzügig zu bewirten. Niemand darf beim Leichenschmaus abgewiesen werden. Auch auf diese Weise wird das Ansehen des Toten geehrt.
Sie alle haben Daniel Malindi auf seinem Weg zum Friedhof begleitet. Seine Ruhestätte: die ewige Ruhestätte im Wortsinne.
Monica Matshidisi:
"Diese ganze Sache mit dem Wiederausgraben von den Knochen, nach zehn Jahren oder so, das ist nicht richtig“, als sie von den europäischen Gepflogenheiten hört. "Nur wenn es Verwandte wären, können sie hier ein Grab teilen.“
Aber ein Grab aufzulösen oder Menschen anderer Familien dort zu begraben, das ist ein Tabu. Der Geist des Verstorbenen würde die Hinterbliebenen so lange peinigen, bis er eine eigene Ruhestätte bekäme.
Anna Malindi:
"Aber da, wo er jetzt liegt, ist er glücklich.“ Da ist sich Anna sicher. "Wir haben ihm eine ehrenvolle Beerdigung gegeben. Alle Nachbarn, die Neffen und Nichten, alle haben sie ihn auf gute Weise verabschiedet. Er ist glücklich und zufrieden, da wo er jetzt ist.“
Und die Nachbarn sprechen auch gut über den Verstorbenen. Zwar wurde keine Ziege geschlachtet, wie sonst oft üblich, aber das Essen war trotzdem reichlich. Eine würdevolle Beerdigung für Daniel Malindi, den Schuhmacher.
Autor: Ulli Neuhoff, ARD-Johannesburg
Stand: 15.04.2014 10:53 Uhr
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