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Südsudan: Der jüngste Staat der Welt vor der Zerreißprobe

Südsudan: Der jüngste Staat der Welt vor der Zerreißprobe | Bild: BR
Nahrungsmittel werden verteilt
Nahrungsmittel werden verteilt | Bild: Bild: BR

Im Krankenhaus der "Ärzte ohne Grenzen“ sagt man uns: Gekämpft wird jetzt weiter im Norden, Schussverletzungen gibt es kaum noch, dafür Tuberkulose, Malaria und viele unterernährte Kinder.

Raina arbeitet als Krankenschwester in Hamburg, hilft jetzt drei Monate lang im Südsudan. Ein Kleinkind wurde mit heißem Kaffee verbrüht. Die Flüchtlinge seien unglaublich tapfer, meint Raina.

Raina Klüppelberg, "Ärzte ohne Grenzen“:

»Wenn die klein sind, dann fangen die an mit ihren Verschönerungen, mit diesem Ritzen, mit diesen Narben. Die sind von klein auf gewöhnt, die Schmerzen zu ertragen, weil das einfach Teil ihrer Kultur ist, um ihren Körper zu verschönern.«

Fächerförmige Narben auf der Stirn? Frauen vom Stamme der Dinka, dem größten der südsudanesischen Stämme. In Bor, wo sie herkommen, lebten bis vor kurzem noch sechs Stämme friedlich zusammen. Aber das ist Geschichte.

Volker Schwenck:

»Es ist sehr schwer, die Größe dieses Camps begreiflich zu machen. Überall verstreut stehen Hütten und dazwischen viel Platz. Es ist eine riesige Fläche hier. Tatsächlich leben hier zwischen 85.000 und 100.000 Menschen.«

Ein Mann mit horizontalen Narben auf der Stirn
Ein Mann mit horizontalen Narben auf der Stirn | Bild: Bild: BR

Aus einem Machtkampf zwischen Präsident Kir, einem Dinka, und Rebellenführer Maschar vom Stamm der Nuer, ist ein Stammeskrieg geworden. Nuer tragen waagrechte Narben als Kennzeichen auf der Stirn. Wir treffen diesen Mann.

»Ich sehe nur so aus, ich bin Dinka. Die Nuer haben mich als Kind gekidnappt und das gemacht. Jeder weiß, dass ich Dinka bin. Darum bringen sie mich nicht um.«

Rebellen von Stamme der Nuer haben ihre Mutter getötet und mehrere Männer aus ihrer Familie. Was an Hass und Gewalt gesät wurde, wird so schnell nicht vergehen:

»Wenn ich nur könnte, dann würde ich mich rächen. Auch Nuer müssen sterben. Das wäre nur gerecht.«

Der Bürgermeister von Bor, der Mann im gestreiften Hemd, holt uns im Lager ab. Er will uns mitnehmen in die Stadt, aus der so viele hier her geflohen sind.

Unser Boot ist eingeklemmt. Im Hafen machen viele Boote fest. Jeden Tag fahren Flüchtlinge vom Camp in ihre zwei Stunden entfernte Heimatstadt.

Bor ist wieder in der Hand der Regierung, ist sicher, sagt der Bürgermeister. Trotzdem reist er nur in Begleitung schwer bewaffneter Bodyguards.

Dieses Boot kommt gerade aus Bor zurück. Die meisten wollen nicht in der Stadt bleiben. Sie trauen dem Frieden nicht, egal was der Bürgermeister sagt.

Nhial Majak
Nhial Majak | Bild: Bild: BR

Noch immer werden in verlassenen Häusern in Bor oder im Busch Leichen gefunden. Darum ist das Massengrab noch offen.

Nhial Majak, Bürgermeister von Bor:

»Die Rebellen haben eine Menschenjagd veranstaltet, Leute getötet, nur weil sie dem falschen Stamm angehörten.«

Der Markt von Bor – niedergebrannt. Drei Wochen hatten die Rebellen die Stadt besetzt, bevor Regierungstruppen sie wieder vertrieben. 2000 Menschen starben, 300 werden noch vermisst. Weite Teile der Stadt sind noch immer verlassen.

Die Opfer waren Dinka, wie der Bürgermeister, wie der Pfarrer.

Thomas Agou Kur
Thomas Agou Kur | Bild: Bild: BR

Dekan Thomas Agou Kur , St. Andrew Kathedrale Bor:

»Auf dem Kirchengelände hatten 20 Frauen Schutz gesucht. Die Rebellen ließen ihre Leichen wochenlang liegen. Wir mussten den Betonboden entfernen. Es war alles mit Blut getränkt, der Gestank ging nicht weg. Es war das reine Grauen. Erst muss der Krieg aufhören. Dann kann man an Versöhnung denken. Aber vorher muss das Kämpfen ein Ende haben.«

In Bor ist es mittlerweile verboten, Kindern Stammeskennzeichen, Narben beizubringen. Eine der ersten Entscheidungen des Bürgermeisters. Die Südsudanesen müssten begreifen, dass sie vor allem Südsudanesen sind, sagt er.

Nhial Majak, Bürgermeister von Bor:

»Wir sind 64 Stämme im Südsudan. Wenn wir weiter nur Stämme bleiben, dann wird unser Land mit Sicherheit scheitern.«

In Bor hatten viele ihre Träume. Mit der Unabhängigkeit werde es aufwärts gehen. Jetzt liegt der Traum unter Trümmern begraben.

Autor: Volker Schwenck / ARD Kairo

Stand: 15.04.2014 10:43 Uhr

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