So., 27.07.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Taiwan: Haifisch als Suppenhuhn
Morgens um Fünf: Die Fischer sind zurück im Hafen von Khaosiung und entladen eine kostbare Fracht: Papageienfisch, Schwertfisch, Thunfisch.
Tiefgefroren geht’s die Rutschbahn runter zur Fischauktion.
Inmitten des reichen Fangs: ein Haifisch – gejagt und getötet nur wegen seiner Flossen – ein Milliardengeschäft in Asien. Die Haifischflossen sind begehrt in Taiwan – vor allem in der Suppenschüssel.
Ein Restaurantbesuch in der Hafenstadt Kaohsiung: Shi-Suen und seine Frau sind von Grund auf sympathische Leute, eine liebenswerte Familie. Aber was auf ihrer Speisekarte steht, lässt mich schlucken: Ihr Restaurant hat sich spezialisiert auf Haifischflosse-Suppe.
Sohn Shing Wei schwitzt schon in der Küche. Zur Suppe schnibbelt er Garnelen, Krebsfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, denn die Flossensuppe selbst ist ziemlich geschmacklos.
Shing-Wei Zeng, Koch:
Viele sagen, die Haifischsuppe ist die teuerste Suppe der Welt: locker 50 oder 100 Euro pro Schüssel.
Wer was zu feiern hat, der gibt sich die Flosse, zum Geburtstag, zu Neujahr, zur Taufe. Ohne Flosse kein Festmahl, keine Hochzeit ohne Hai.
Die Flosse gilt den Asiaten als Statussymbol. Wer sie sich leisten kann, ist reich, glücklich und gesund.
Ein Gast:
Ein anderer Gast:
Gut für die Knochen, aber schlecht für den Haifisch. Viele Unterarten drohen inzwischen auszusterben mit fatalen Folgen für die Unterwasserwelt.
Chu Tseng-Hung, Tierschutzorganisation EAST:
Spurensuche an Taiwans Küste: Die kleine Insel im Pazifischen Ozean hat die viertgrößte Fischfangflotte der Welt. Von hier aus in Khaosiung sticht sie in See.
Die Reise der Fischer führt um die ganze Welt, nach Südostasien, Afrika, durch den Atlantik, bis an die Küsten Südamerikas. Mit kilometerlangen Angelleinen fischen sie die Meere leer. Täglich kommen riesige Frachtschiffe mit ihrer Ladung zurück in den Heimathafen.
Hsu Jian-Feng, Vorarbeiter:
Der Frachter ist übervoll mit gefrorenen Haifischen. 3000 Tonnen. Fünf volle Tage dauert das Entladen.
Immerhin: Taiwan geht einen ersten wichtigen Schritt: Anderswo wird den Haien die wertvolle Flosse bei lebendigem Leib abgeschnitten. Die noch lebenden Körper werden ins Meer geworfen, um Frachtraum zu sparen, um noch mehr Flossen lagern zu können.
In Taiwan haben die Behörden diese Tierquälerei gesetzlich verboten. Nicht nur die kostbare Flosse, sondern der gesamte Haifisch soll angelandet und verwertet werden. Am Pier überwachen Fischereibeamte das neue Gesetz.
Shin-Tsang Wu, Fischereibehörde:
Trotz neuer Regeln – das Handelsvolumen mit Flossen ist noch immer schier unermesslich, auch in Taiwan.
Wer auf die Dächer steigt von Khaosiung bekommt einen Eindruck davon: Haifischflossen. Zehntausende. Ausgelegt zum Trocknen in der Sommersonne.
Von den Dächern Kaohsiungs führt der Weg direkt in die Hauptstadt Taipei. Hier kann sich jeder eindecken, der Heißhunger hat auf den Haifisch.
Philipp Abresch:
Seit über 60 Jahren handelt Familie Lee mit Haifischflossen: Walhai, Blauhai, Weißer Hai – auch fast ausgestorbene Arten sind hier zu sehen. Ein Tütchen voller Flossen gibt es ab 100 Euro. Ein Kilo kostet bis zu 1000 Euro.
Lee Hsing-Shun, Händler:
Der Jäger der Weltmeere – er wird selbst zum Gejagten.
Und nur durch Aufklärung lässt sich der Hai noch retten, meint Bo Han Shi. Regelmäßig geht der Tierschützer auf den Nachtmarkt von Khaosiung und startet mit seinen Helferinnen eine Charmeoffensive für den Hai: Viele Flossenliebhaber wüssten ja nicht, wie bedroht der Haifisch inzwischen ist.
Shi Bo-Han, Aktivist:
Der Hai soll im Ozean schwimmen und nicht in der Suppe. Vor allem bei den jungen Taiwanern setzt sich diese Idee mehr und mehr durch. Nur eines macht den Aktivsten Sorgen: Im benachbarten China wächst rasant eine reiche Mittelschicht heran – reich und sicher hungrig auf Haifisch.
So ist längst nicht entschieden, wer zuerst ausstirbt: der Hai oder eine durch und durch geschmacklose Suppe.
Autor: Philipp Abresch / ARD-Tokio
Stand: 28.07.2014 01:54 Uhr
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