So., 01.12.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Ukraine: Zwischen Russland und Europa
Perfekt organisiert ist der Protest.
Dascha:
Dascha aus Kiew hat Platz für zwei Schlafgäste, lässt sich in die Liste eintragen – und bekommt gleich eine Telefonnummer von Suchenden, denn zur Dauerdemo der Studenten kommen sie aus dem ganzen Land. Seit fast zwei Wochen wird für Europa demonstriert, eine große Party, rund um die Uhr, am Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, den sie kurz in "Euro-Maidan“ umbenannt haben.
Dascha:
Der Protest der Studenten ist unpolitisch. Sie wollen nur eins: den Weg nach Europa. Doch immer wieder taucht hier auch Polit-Prominenz auf. Es ist Freitagabend, Vitalij Klitschko, Boxweltmeister und Oppositionsführer, kommt gerade vom Gipfel in Vilnius. Ohne einen neuen ukrainischen Präsidenten werde es nie was mit Europa, sagt er bei jeder Gelegenheit. "Wir wollen vorgezogene Wahlen, alle Oppositionsparteien werden einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen." sagt er. Die besten Chancen, das sagt er nicht, hat er selbst.
Dascha und ihre Schlafgäste haben sich gefunden auf dem Platz – zwei Studentinnen aus Lemberg in der Westukraine, vom anderen Ende des Landes.
Klitschko auf dem Weg ins Fernsehstudio: Noch am selben Abend sind die Oppositionsführer in eine Talkshow eingeladen – sie sollen die Europa-Absage kommentieren, aber erst, nachdem die Vertreter der Regierung ihren Auftritt hatten. Gemeinsam will man sie nicht im Studio haben – bloß keine Diskussion live auf dem Sender. Doch das lässt die Opposition sich nicht bieten und stürmt das Studio während der laufenden Sendung - unter dem Applaus der Gäste. Der Sendung wird sofort der Saft abgedreht. Stattdessen zeigt der Kanal eine russische Serie.
Die Zuschauer der Talkshow werden erst mal in die Pause geschickt.
Eine Studiozuschauerin:
Eine Stunde später geht es tatsächlich weiter mit der Sendung – mit Regierungspolitkern und Opposition: Punktsieg für Klitschko. Er nutzt gleich die Chance.
Vitalij Klitschko:
Auf dem Maidan halten auch in dieser Nacht wieder Hunderte Wache. Jede Nacht hatten sie befürchtet, dass die Polizei kommt und den Platz stürmt. In dieser Nacht kommt sie wirklich, ganz klar mit dem Auftrag zur Gewalt: mit Knüppeln gegen Studenten. Der Gipfel in Vilnius ist nicht mal einen Tag her. Europa scheint weiter entfernt denn je.
Am nächsten Tag erst kommen nach und nach all jene frei, die in der Nacht vorläufig festgenommen worden waren. Manche lassen sich kaum etwas anmerken, andere sind eingeschüchtert wie Dascha.
Die Fotos aus der Nacht hat sie gespeichert, die Erinnerung daran sowieso.
Dascha:
Nach einfach weitermachen sieht das nicht aus. Heute gingen in Kiew noch viel mehr auf die Straße. Aus allen Ecken des Landes, auf dem Weg, den Maidan zurückzuerobern. Die Polizei ließ sie gewähren, am Mittag war der Platz voll.
Doch es gibt auch solche Szenen. Mit dem Radlader gegen Polizisten - der Versuch, die Präsidialadministration zu stürmen. Hässliche Szenen und maskierte Provokateure, die nicht passen zur friedlichen Europa-Demonstration.
Längst ist in der Ukraine ein Machtkampf entbrannt, längst geht es nicht mehr nur um Europa. Der Weg dorthin wird für das Land kein einfacher werden.
Autorin: Ina Ruck / ARD Moskau
Stand: 15.04.2014 10:38 Uhr
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