So., 11.12.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Brasilien: Der blaue Ara kehrt zurück
Der blaue Spix Ara ist vielleicht der schönste unter den Papageien, sicher aber einer der am stärksten gefährdeten. Viehzucht und Wilderei haben dazu beigetragen, dass der blaue Ara im nord-östlichen Brasilien in freier Wildbahn praktisch nicht mehr vorkommt. Das wollen Naturschützer ändern: Sie siedeln die Papageien in ihrer Heimat wieder an. Die Tiere, die nachgezüchtet wurden, kommen aus Zoos und von Privatbesitzern, unter anderem auch in Berlin.
Die Aras gewöhnen sich an die neue Freiheit
Der Mond steht noch am Himmel – da sind sie schon zu hören. Das ist der Weckruf für Cromwell Purchase. Er ist Zoologe, Biologe und sowas wie der "Manager der Aras". Und die rufen jetzt nach ihrem Frühstück. "Es gibt einen Mix aus Obst und Gemüse. Und hier noch gekochte Körner." So nah es geht, am Essen in Freiheit. "Irgendwann werden sie das fressen, was in der Natur wächst. Aber in Gefangenschaft haben wir das nicht immer alles vorrätig. Also versuchen wir mit dem, was wir haben, eine ähnliche Ernährung nachzuahmen."
Acht Spix Aras fliegen seit wenigen Wochen in der Wildnis der Caatinga im Nordosten Brasiliens. Mehr sollen schrittweise dazukommen. Eine neue Freiheit, an die sich die Tiere erst langsam gewöhnen müssen. Sobald sie Cromwells Quad hören, kommen sie: Fütterungszeit. Wir müssen Abstand halten. Sie sollen sich ja gerade vom Menschen ENT-wöhnen. "Diese Vögel waren noch nie in der Wildnis. In den letzten 22 Jahren gab es hier keine Spix Aras. Also müssen wir ihnen beibringen, wie sie was zu fressen finden. Wir wollen aber nicht, dass sie schwach und verletzlich sind. Also sorgen wir dafür, dass sie ausreichend Essen zur Verfügung haben, bis sie sich in der Natur komplett selbst ernähren können." Die Spix Aras sind die Stars. Die Menschen aus den nahegelegenen Dörfern wollen sie sehen. Nur die Alten erinnern sich noch an die Zeit, bevor sie ausstarben. So wie die 84-jährige Josefa dos Santos. "Als ich acht war sah ich die Tiere, sie flogen neben dem Haus, am Fluss, wo ich die Wäsche wusch. Und unterwegs, wenn ich die Ziegen gehütet habe."
Aufwändiges Zuchtprogramm zur Wiederansiedlung
Biologe Ugo Eichler ist der Austausch mit der Gemeinde wichtig – nur mit ihnen gemeinsam könne das Projekt "Wiederansiedlung" gelingen. "Um die Aras zu schützen, müssen wir ihr Habitat erhalten. Und dafür brauchen wir das Engagement der Menschen, die hier leben. Denn sie müssen aufpassen und sie letztlich auch schützen. "Denn dass die Tiere vor mehr als 20 Jahren ausgestorben sind, hatte auch etwas mit der Lebensweise der Menschen zu tun. Landwirtschaft und Ziegenzucht – sie prägen den kargen Nordosten Brasiliens. Doch dadurch wurde immer mehr Lebensraum vernichtet. Die Wilderei habe den Aras dann den Rest gegeben. "Dass ihnen der Lebensraum genommen wurde, hat ihre Anzahl dramatisch reduziert", sagt Cromwell Purchase. "Je seltener sie waren, desto wertvoller wurden sie auch für Sammler. Ihr Preis wurde immer höher. "
Dass die Tiere nun zurück sind, liegt an einem aufwändigen Zuchtprogramm, das auch von der brasilianischen Regierung unterstützt wird. In Deutschland übernahm ein Verein die Zucht, mit Tieren aus Zoos und Privatbesitz. Auch der ehemalige Emir von Katar hat seine Spix-Sammlung zur Verfügung gestellt. Gen-Analysen für die besten Zucht-Ergebnisse. Ein aufwändiges Millionen-Projekt. Finanziert überwiegend aus Spenden. Im Jahr 2020 reisen dann 52 Spix Aras nach Brasilien. In Privat-Jets. Cromwell nahm sie in Brasilien in Empfang: "Da sind die neuen VIP-Gäste angekommen. Das war fantastisch!”
Der Lebensraum der Aras muss geschützt werden
Aber wie kann es gelingen, dass diese VIPs sich hier dauerhaft heimisch fühlen, und überleben? Wissenschaftlerinnen, Biologen und NGOs arbeiten zusammen, messen zum Beispiel wie weit die Tiere fliegen. Alle sind sich einig: Es kann nur gelingen, wenn die Zerstörung ihres Lebensraumes aufhört. Ugo ist jede Woche mit seinem Team unterwegs, besucht anliegende Bauern. So wie Joemar dos Santos leben die meisten von der Viehzucht. "Alle hier züchten Ziegen. Manche haben viele, manche haben wenige, aber alle machen was mit Ziegen. Das sind die Tiere, die am besten überleben in dieser Dürre." Ugo versucht, die Bauern zu überzeugen, ihre Tiere einzuzäunen, damit die Natur sich erholen kann. "Das ist der komplizierteste Teil. Das ist so tief in ihrer Kultur verwurzelt. Ihre Eltern, Großeltern lebten oft schon vom Geschäft mit den Ziegen. Es ist es schwer, verständlich zu machen, wie das alles zusammenhängt.
Deshalb setzt Ugo auch auf die junge Generation. Besuch in der Stadt Curaca. Hier ist der Spix-Ara schon "angekommen". Heute auch in der in Grundschule: "Hallo guten Tag! Wer von euch hat schonmal vom Spix Ara gehört?" "Ich will, dass die Aras zurückkommen. Damit unsere Stadt schöner wird", sagt eines der Kinder. Großes Marketing – und Aufklärung zum Anfassen. "Wir versuchen den Stolz zurückzubringen, den Stolz, dass die Spix Aras zurück sind, Stolz die Umwelt zu schützen und Stolz aus der Region Caatinga zu sein.” Ende des Jahres sollen 12 weitere Aras freigelassen werden. Die Hoffnung: dass sie sich auch in der Natur fortpflanzen, so ihren Bestand sichern. Dann könnte das Projekt auch ein Leuchtturm sein, für andere ausgestorbene Arten.
Autorin: Joana Jäschke, ARD-Studio Rio de Janeiro
Stand: 11.12.2022 21:21 Uhr
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