So., 26.06.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Brasilien: Kicken für den Amazonas
Mitten im Grün des Amazonas-Deltas liegt: Belém. In der Urwald-Metropole spielt seit Kurzem ein besonderer Fußballklub – gegründet von Walter Lima: Der 'Amazônia Independente'. Der Name ist Programm. Denn der Klub hat sich dem Umweltschutz verschrieben – kicken für den Amazonas-Regenwald.
So lässt Präsident Walter Lima seine Trikots aus recycelten Plastikflaschen herstellen. Darauf prangt der Muraquitã – ein uraltes Frosch-Symbol aus den Mythen der indigenen Amazonasbewohner:innen. Der Verein finanziert sich durch Fördergelder der Regionalregierung – und saubere Sponsoren. "Ich habe bereits Sponsoren abgelehnt, die nicht meinen ethischen Vorstellungen entsprechen. Die hatten Dreck am Stecken. Es handelte sich zum Beispiel um einen Holzexporteur, den ich nicht als Sponsor wollte", sagt Walter Lima.
Mit Fußball für den Umweltschutz
Amazônia Independente – ein erfolgreiches, halb-professionelles Team, das bald schon in die erste Liga der Amazonas-Region aufsteigen will. Walters Umweltbewusstsein kommt nicht durch Zufall. Er hat erlebt, wie die Zerstörung der Natur in Brasilien fortschreitet. "Ich war früher selbst mal ein Goldgräber gewesen. Dann hatte ich Malaria bekommen und damit aufgehört. Seitdem weiß ich, wie sehr die Urwaldzerstörung zunimmt."
Zehntausende – vielleicht hunderttausende – Goldgräber durchwühlen den Amazonas-Boden nach ergiebigen Adern. Die Abholzung nimmt immer weiter zu. Brände fressen sich tief ins Ökosystem. Dennoch wirkt der Amazonas an vielen Orten noch immer bezaubernd. Auch weiter flussaufwärts, in der beschaulichen Provinzhauptstadt Santarém. Von hier aus startet Walter Lima eine besondere, seine ganz persönliche Mission. Dafür muss er erstmal jede Menge Fußbälle kaufen – Geschenke für ein indigenes Dorf: "Ich will den Amazonas-Nebenarm 'Arapiuns' flussaufwärts fahren. Dort möchte ich einer indigenen Gemeinde Fußball-Materialien spenden und den ersten Stützpunkt meines Fußball-Klubs 'Amazônia Independente' gründen."
Obwohl Walter nicht viel Geld zur Verfügung hat, will er helfen. In der spielfreien Zeit und in seiner Funktion als Vereinspräsident. Es sind persönliche Spenden und die von Sponsoren, die er an Flussbewohner:innen verteilen will. Seine Familie begleitet ihn – auf der Fahrt mit dem Holzdampfer Jucunaré über den mehrere Kilometer breiten Strom. Im Gepäck: Nicht nur Bälle und Trikots, sondern auch eine Botschaft: Umweltschutz. "'Amazônia Independente' soll mehr als nur ein Fußball-Klub sein. Es geht mir darum, bei den Menschen ein neues Bewusstsein auszulösen – für die Bewahrung dieses unglaublichen Schatzes: unserer wunderbaren Natur."
Freundschaften mit den Indigenen sollen helfen
Seit seiner Zeit als Goldgräber beunruhigt Walter die Amazonas-Zerstörung. Deswegen besucht er nun das Indigenen-Dorf Lago da Praia. Spenden kommen hier sonst nur von Politikern an, die kurz vor der Wahl um Stimmen buhlen. "Ich kann euch versichern, dass ich keinerlei politische Ziele verfolge. Die Spenden, die wir dabeihaben, die stammen ausschließlich von mir, meiner Frau und Freunden der Familie", sagt Walter Lima.
Die Menschen am Flussufer sind misstrauisch. Schließlich sehen sie sich im Fokus von Konzernen, die ihr Land ausbeuten wollen. "Viele Holzfäller dringen hier ein. Außerdem wollen Bergbaubetriebe auf unserem Territorium Bauxit abbauen. Wir kämpfen dagegen und haben unseren Protest auch bereits schriftlich bei der Staatsanwaltschaft eingereicht", erzählt Ligiane Tapajós Barbosa, Anführerin des Lago da Praia. Dann erklärt Walter vor der Versammlung der Dorfbewohner:innen das Ziel seiner Reise: "Ich bin wegen nichts anderem hier, als mit euch Freundschaft zu schließen. Ich will eine Verbindung zwischen uns herstellen." Kurz darauf verteilt er die Spenden: Fußbälle, Kleider und Lebensmittel. "Ich finde es gut, dass er hier einen Fußball-Stützpunkt aufbauen will. Das gefällt unseren Kindern und wird sie stark machen", sagt Ligiane Tapajós Barbosa.
Als Dank führen die Indigenen einen Tanz auf. Das bedeutet: Das Eis ist gebrochen. Walters Projekt kann beginnen: "Ich will, dass eure Kinder und Enkel einen intakten Amazonas-Urwald erleben können. In echt und nicht nur auf alten Fotos." Ab jetzt will Walter hier regelmäßig Trainingscamps durchführen. Er hofft, dass weitere Sponsoren aufspringen. Und auch darauf, neue Talente zu entdecken. Aus dem Amazonas und für den Amazonas.
Autor: Matthias Ebert/ARD Rio de Janeiro
Stand: 26.06.2022 21:03 Uhr
Kommentare