Mo., 01.08.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Peru/Brasilien: Transoceanica – Schönheit und Zerstörung
Kühle Welt – auf 4.700 Metern. Unter den Gipfeln der Andenkordillere: der höchste Punkt der Transocéanica. Eine Straße, quer durch Südamerika, mit aller Macht gepflastert von den Gletschern der Anden hinab ins feucht-heiße Amazonien.
Von oben sieht das da unten aus, wie der letzten Flecken unberührter Natur.Unten – an Kilometer 117 treffen wir Demetrio Pacheco. Er ist Umweltaktivist und gerade auf der Spur einer illegalen Rodung – in einem privaten Naturreservat. "Dort hinten haben sie Holz geschlagen. Illegal. Ohne Erlaubnis. Kommt!" Jetzt soll Demetrio die Zerstörung dokumentieren. "Wahrscheinlich war das hier das Werk von Goldgräbern. Es ist immer das gleiche: Sie fangen an zu roden und dann wollen sie nach Gold buddeln", erklärt Demetrio Pacheco.
Die Goldgräber haben Killerkommandos
Stämme – mehr als 80 Jahre alt. Auf die Schnelle zersägt, um auf dem Schwarzmarkt verscherbelt zu werden. Immerhin wurden die Täter in flagranti erwischt, weil ein Bauer die Polizei rief. Der fürchtet jetzt um sein Leben. "Die Goldgräber haben Killerkommandos. Ich bin mir sicher, dass sie mich jetzt verfolgen werden, um sich zu rächen", sagt Nemesios Barrientos.
Immer näher rücken die Dörfer der Goldgräber. Von weitem zu riechen – ein bestialischer Gestank. Drinnen: Geschäfte mit Minenzubehör und Bordelle. Ein Ort, an dem der Staat schlicht nicht existiert. Der illegale Goldabbau wuchert wie ein Krebsgeschwür – sogar bis in Naturschutzgebiete. Zurück bleibt Quecksilber im Grundwasser, das entlang der Transocéanica über die Grenze nach Brasilien treibt.
Die Indios und der Urwald werden dezimiert
Hier beginnt der Wilde Westen von Lateinamerikas größtem Land.
Einmal im Monat geht Mopiri Suruí auf traditionelle Weise zur Jagd. Er ist Kazike, also Stammesältester Indio der Suruí. Ihren Wald nennen sie "Siebten September" – nach dem Datum des ersten Kontaktes mit der Zivilisation. Am 7. September 1969. Ein Tag, den die Ältesten der Suruí bis heute nicht vergessen können. "Es gab damals eine Epidemie nach dem ersten Kontakt. Tuberkulose. Fast die gesamte Bevölkerung starb", erinnert sich Mopidmane Suruí, GPS-Experte der Suruí "80 Prozent unseres Volkes: Kinder, Babys, Jugendliche, Alte – egal. Gerade mal jeder Fünfte überlebte."
So wie die Suruí selbst wurde auch ihr Wald dezimiert. Das was noch von ihm übrig ist, steht zwar unter Schutz, aber das scherte illegale Holzfäller selten. Sie suchen den schnellen Profit und Agrarbosse mehr Ackerland.
Agrarprodukte für den Export
Gerade ist Baumwoll-Ernte. Auf zehntausenden Hektar: genetisch-manipulierte Pflanzen. Die bringen mehr Profit, sagt Agrar-Manager Ismael Gross. "Überall im Feld nehmen wir Bodenproben und spritzen dann die jeweils nötige Menge Dünger in den Boden. Wir nutzen so viel Dünger und auch Chemikalien wie nötig um eine gute Ernte zu haben." In ein paar Wochen bringt Ismael Gen-Soja auf die Felder – auf einer Fläche so groß wie München. Nicht für den brasilianischen Markt sondern für China.
Und er ist der Besitzer von all dem: Self-Made-Agrarbaron Marino Franz. Gerade auf Inspektion seiner neuen Bio-Diesel-Anlage. Mit dem Agrar-Business hat er ein Vermögen gemacht. "Die Chinesen sind DER große Partner für uns Agrar-Bosse in Brasilien. Baumwolle und Mais gehen auch nach Japan und Europa. Was uns aber reich macht, ist die große Nachfrage nach Soja und vielen anderen Lebensmitteln – vor allem aus China", so Marino Franz, Inhaber des Agrar-Unternehmens "Fiagril".
Auf Patrouille mit Pfeil und Bogen
So viel Profit wie möglich herausholen – aus dem Boden, der den Suruí heilig ist. Einmal im Monat patrouillieren sie durch ihr Reservat. Um zu retten, was zu retten ist. Mit Pfeil und Bogen, aber auch mit GPS-Daten. "Wir dokumentieren mit GPS und Kamera unseren Wald", erläutert Mopidmane Suruí, GPS-Experte der Suruí "Dort wo er intakt ist und dort wo Eindringlinge illegal Holz fällen. Dann zeigen wir damit bei der Polizei an, wo genau unser Territorium verletzt wurde."
CO2-Certifikate bringen den Suruí Geld
Geholfen haben den Suruí Umweltverbände und – Google. Die Kalifornier zeigten den Indios wie man mit Hilfe von moderner Software den Regenwald kartographiert – und so ihr Land schützt. "Wir haben jetzt weniger Eindringlinge, weniger Kahlschlag. Und unser Volk ist selbstbestimmter geworden", sagt Mopidmane Suruí. "Wir sind wieder Herren unseres Territoriums und weil wir den Wald, unseren CO2-Speicher, erhalten, haben wir sogar Einkünfte."
Die Suruí verdienen Geld mit CO2-Zertifikaten. Bislang 1,1 Millionen Euro. Damit bezahlen sie Setzlinge, mit denen sie Schritt für Schritt aufforsten – gegen den Trend im Wilden Westen an der Transocéanica.
Eine Reisereportage zwischen Staunen und Entsetzen von Matthias Ebert (SWR)
Stand: 12.07.2019 10:19 Uhr
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