Mo., 20.11.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
China: Der letzte Dschunkenbauer in Hongkong
"Ich erschaffe, was andere nicht können, deswegen nennen sie mich Ah Sin: den großen Zauberer". Der 85-Jährige aus Hongkong, der so selbstbewusst über sich spricht, ist Dschunkenbauer. Einer der letzten, die diesen Beruf noch ausüben. Einst war Hongkong berühmt für die vielen Holzboote, die mit mächtigen Drachensegeln vor der Altstadt kreuzten.
Heutzutage sind fast alle Boote aus Fiberglas, die Kunst des Dschunkenbauens fast vergessen. Ah Sin hat in seiner traditionellen Werkstatt seinen Sohn angelernt und kontrolliert – auch in seinem Alter – weiter die Produktion. Einige Holzboote wurden in den letzten Jahren noch gebaut. Sie fahren vor allem für nostalgische Touristen. Eine Reportage von Sascha Storfner, (ARD-Studio Peking).
Sie beten zu den Göttern des Schiffsbaus und des Geldes. Bootsbauer Au Sai Kit und sein 85-jähriger Vater Au Wai, Meister des Dschunkenbaus. Ihre Werkstatt im Osten von Hongkong Island atmet den Geist einer Schifffahrt-Tradition, die kaum noch zu finden ist, im modernen Hongkong. Räucherstäbchen auch für die Schiffswinde, so ist es bei Familie Au der Brauch. "Sie nennen mich Ah Sin, Sin, das heißt: großartig, weil meine Arbeit großartig ist", sagt der Dschunkenbauer Au Wai. "Ich erschaffe, was andere nicht können. Daher nennen sie mich Ah Sin, den großen Zauberer." Der große Zauberer und sein Sohn müssen los, per Dschunken-Taxi zu einer Partner-Werft im Stadtteil Aberdeen, an einer Bucht im südlichen Teil von Hongkong Island.
Die meisten Werften mussten schließen
Die Menschen, die hier auf ihren Hausbooten wohnen, leben preisgünstig in einer der teuersten Städte der Welt. Ein Boot als Wohn- Schlaf- und Essraum. Zu hohe Mieten, Personalmangel und kaum Aufträge, deshalb mussten in Hongkong schon die meisten Schiffswerften schließen. Herr Au musste mitansehen, dass die Aufträge an chinesische Unternehmen im Perlfluss-Delta gegeben wurden. Nur noch Reparaturarbeiten machen sie hier. Wichtig dabei: Bambus-Wolle. Damit werden die Fugen im Holz gefüllt – in Europa würde man Baumwolle oder Hanf nutzen. Danach alles mit Ölpaste kitten.
Eine desolate Dschunke dümpelt vor sich hin, sie ist um die 50 Jahre alt und hätte eine Restaurierung dringend nötig. Herr Au hat sie gleich erspäht. Sogar einen schwimmenden Tempel gibt es, in der Wasserstadt von Aberdeen, ein schnelles Gebet für Wohlstand und Glück, soviel Zeit muss sein. Der ganze Stolz der Aus liegt vor ihrer Werft: die Dschunken Aqua Luna 1 und 2 wurden nach ihren Plänen gebaut. Drinnen in der Werkstatt Holzladungen von früheren Projekten. Ihre letzte Dschunke, die Aqua Luna 2, lief im Frühjahr vom Stapel, allerdings in einer Werft im Perlflussdelta, in China. "Dieser Stamm ist noch von der Aqua Luna 1 übriggeblieben, die noch hier gebaut wurde", erzählt Au Sait Kit. "Es ist Teak-Holz, das wir außen am Boot verwenden, weil seine Maserung so schön ist, außerdem ist Teak gut gegen Ungeziefer."
Das Segel ist nur Dekoration
Jeden Tag ißt Familie Au gemeinsam zu Mittag, der Sohn wohnt hier. Er hat die Werkstatt übernommen. Da er keine Kinder hat, geht die Dschunken-Dynastie der Aus mit ihm zu Ende.
Damals: Drachensegel vor den ersten Hochhäusern: Hongkong in den 50ern. Alle bewegen sich auf Holzbooten, selbst wuchtige Restaurants dümpeln vor sich hin. Leichter Wellenschlag und Hongkonger Häppchen, Dim Sum. "Im Bootsbau in Hongkong ist das so: die, die Fiberglas-Schiffe bauen, haben reiche Kunden, die mehrere hundert tausend Hongkong Dollar oder hundert Millionen haben", sagt Au Wai. "Einer meiner früheren Angestellten ist in den Fiberglas-Schiffsbau gewechselt. Die Investoren bezahlen da umgerechnet 220.000 Euro für ein Schiff."
Ein wenig von der Aura des alten Hongkong versuchen sie in Hongkong herüberzuretten, mit den schwimmenden Restaurants und den Ausflugsfahrten für Touristen. Die Drachensegel sind nur noch Dekoration, mit dem Logo der Schiffsgesellschaft, das Boot, die Aqua Luna 2, fährt mit Motor. "Die ersten Motoren in den Dschunken gibt es seit den 1960ern", erklärt Au Wai. "Davor gab es keinen Motor fürs Rangieren und zum Segeln, alles war nur vom Wind abhängig." Und Au Sait Kit meint: "Für mich sind die Dschunken-Fahrten im Viktoria Harbor eine gute Attraktion. Es ist gut für den Tourismus hier. Ohne Dschunken hätte Hongkong seinen Charakter verloren. Das wäre schade."
Die Aqua Luna 2 ist Made in China, die Aus sind immer wieder zu der Werft im Perlfluss-Delta gefahren, wo sie in Handarbeit entstand, haben versucht, alles zu überwachen, damit die jüngste Dschunke ein Star im Victoria Harbor in Hongkong wird. Sie sehen sie als Krönung ihrer Arbeit. Vor der nächtlichen Skyline verhilft sie der Stadt zu dem Image, was viele noch lange in Hongkong sehen möchten: eine weltoffene, glitzernde Stadt am Wasser.
Stand: 31.07.2019 12:36 Uhr
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