Mo., 04.12.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
China: Mega-Hype um Computerspiele
Die Mannschaft "1246" aus Shanghai trainiert wie fast jeden Tag bis Mitternacht. Die Jungs bereiten sich auf ein wichtiges Spiel am nächsten Tag vor.
E-Sport – mehr als bloß Zeitvertreib
Yang Jiawai verbringt 12 bis 15 Stunden vor dem Computer, sechs Tage die Woche. Er ist Profi, seine Disziplin E-Sport – das Spiel heißt "Overwatch". Über Kopfhörer verständigen sie sich: "Pass’ auf! Gibt mir Schutz!". Es läuft noch nicht rund. "Wir haben starke individuelle Fähigkeiten, müssen aber als Team noch besser zusammenarbeiten", findet Yang Jiawei.
Ihr Gegner sitzt gut 1000 Kilometer entfernt, eine Mannschaft in Südkorea. Jeder Spieler steuert eine bewaffnete Fantasiefigur, als Team müssen sie mehrere Felder erobern. Weniger Schweiß als beim Fußball, aber genau so viel Anspannung. Trainer-Anweisungen von der Seite. Der Betreuerstab ist immer dabei. E-Sport boomt in China.
"Nach mehreren Jahren Entwicklung und dem Aufbau von festen Strukturen hat der E-Sport an Anerkennung gewonnen. Diese Jungen arbeiten hart und haben bewiesen, dass das mehr ist als bloßer Zeitvertreib", erzählt Yuan Jiaxu, der Teammanager von "1246".
Traum vieler junger Chinesen
Der nächste Tag. Sie wohnen in einer Villa fast das ganze Jahr zusammen – mit Rundum-Betreuung. Wenn die Mannschaft mittags aufsteht, ist der Tisch gedeckt. Leben in Vier-Bett-Zimmern. Auf Yang Jiawei blicken nachher beim Spiel viele Fans und Kameras. Vor allem junge Chinesen beneiden den 21-Jährigen. Er hat ihren Traumberuf, allerdings auch wenig Freizeit.
"Im Zimmer haben wir keinen Computer. Wenn ich nachts vom Training zurückkomme, mache ich nicht mehr viel. Ich komme zum Schlafen her und esse unten etwas. Manchmal spiele ich noch auf dem Telefon oder chatte mit Freunden", erzählt Yang Jiawei.
Große Events für E-Sport-Spiele
Ein anderes E-Sport-Spiel, andere Mannschaften – und eine Supershow vor dem Beginn. Das Weltmeisterschaftsfinale des Strategiespiels "League of Legends" verfolgen über 40.000 Menschen im Pekinger Olympiastadion auf riesigen Bildschirmen. Reale und digitale Welt gehen ineinander über – auf den Monitoren sieht es aus, als würde ein Drache aus dem Computer-Spiel im Stadion landen.
In den Katakomben machen sich die anderen Profis bereit. Auch Qian Cheng konnte sein Hobby zum Beruf machen. Er ist selbst leidenschaftlicher Spieler und verdient sein Geld als Kommentator.
Viele Spiele werden live im Internet übertragen, nirgendwo auf der Welt ist das Interesse so groß: In China verfolgen fast 80 Millionen Menschen dieses Finale, obwohl zwei südkoreanische Mannschaften um den Titel kämpften. Das Publikum fiebert und leidet mit wie bei einem Fußballspiel.
E-Sport als Olympische Disziplin?
Zwar ist Spielsucht ein Problem in China – doch für Qian Cheng hat das mit E-Sport nichts zu tun. "Wer meint, dass E-Sport eine Suchtgefahr darstellt, denkt sehr konservativ. Junge Leute, die in den 80er und 90er Jahren geboren worden, erkennen es als Sport an. Sie sehen darin nichts Schlechtes, sondern etwas Positives und Gesundes."
Das Internet wird in China streng kontrolliert, trotzdem brummt alles, was politisch unbedenklich ist. Die Spieleindustrie hat mittlerweile das Wohlwollen der lange skeptischen chinesischen Behörden. Ein milliardenschwerer Markt. Und viele Manager in der Branche sehen E-Sport schon als Olympische Disziplin.
"E-Sport selbst braucht keine Anerkennung von einer anderen Organisation, um seinen Wert zu zeigen. Es ist ja schon Teil von einigen asiatischen Sportveranstaltungen. Wir sollten mehr darüber nachdenken, welches E-Sport-Spiel olympisch werden sollte", findet Cao Di, ein E-Sport-Veranstalter.
Mehrere junge Millionäre im E-Sport
Yang Jiawei muss vor jedem Spiel in die Maske. Schnell noch Fotos mit Fans. Seine Eltern waren zunächst wenig begeistert über sein Leben vorm Computer, mittlerweile sind sie stolz auf seine Profikarriere. In der Arena führt die passend zum Spiel verkleidete Moderatorin schon Interviews. Der Gegner ist eine Mannschaft aus Südkorea. Es gibt mehrere junge Millionäre im E-Sport. Die Spieler aus Shanghai verdienen im Schnitt um die 2500 Euro im Monat – plus Preisgelder. Ein Spiel geht über mehrere Runden.
Nach Schätzungen sind 170 Millionen Chinesen E-Sport-Fans und selber Spieler.
"E-Sport ist leidenschaftlich, mitreißend, ich spiele auch, deshalb macht es auch Spaß, zu zugucken", meint eine Zuschauerin.
Es läuft nicht gut heute für das Team 1246. In einer Pause wird Yang Jiawei ausgewechselt. Tipps vom Trainer. Doch auch das letzte Aufbäumen hilft heute nicht. Das Spiel ist verloren.
"Die anderen waren klar besser, wir müssen noch viel trainieren, um sie besiegen zu können", sagt Jang Jiawei.
Mit 25 gelten die Profis schon alt. Ein paar Jahre bleiben den jungen Spielern von "1246" noch für einen großen Titelgewinn in der boomenden Welt des E-Sports.
Autor: Mario Schmidt/ARD Studio Peking
Stand: 31.07.2019 15:12 Uhr
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