Mo., 02.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
China: Riesling und Chardonnay für die Mittelschicht
Ein prächtiges Chateau, das süße Leben, roter Wein. Alles wie in Frankreich, aber wir sind im Norden Chinas in der Provinz Ningxia. Doch die Liebe zum Wein ist hier genauso groß – zumindest bei Winzerin Wang Feng. Sie probiert ihre Trauben und schwärmt: "Man kann sich vorstellen: Der Saft im Mund schmeckt ähnlich wie der spätere Wein."
Ihr Weingut "Kanaan" ist eines von bald 100 in Ningxia. Es ist etwas bescheidener als manch anderes hier, eher Toskana-Stil. Eine Offenbarung hatte sie, als sie in Deutschland zum ersten Mal Riesling trank. Zurück in China wollte sie unbedingt eigenen herstellen. Den Traum hat sie sich erfüllt. Jetzt genießt sie ihr Winzerleben in vollen Zügen.
Begeisterung für Wein
Wang Feng vom Weingut Kanaan schwärmt: "Wenn ich im Oktober den Wein mache, da kann ich in den Tanks die Gärung hören; er verändert sich, es wird ein guter Wein. Das ist wirklich schön."
Umgeben vom Henan-Gebirge – dahinter liegt die Wüste. 3000 Sonnenstunden im Jahr, warme Tage, kühle Nächte, rundum beste Voraussetzungen für den Weinanbau. Ningxia ist eine eher kleine Provinz, aber mit großen Pläne. Hier möchten sie die besten Weine Chinas herstellen und sich international einen Namen machen.
Ein österreichischer Winzer in 15. Generation ist hier Partner und Namensgeber für das Weingut Chateau Changyu Moser. Die Provinzregierung rollt ausländischen Produzenten und Experten den roten Teppich aus.
Weinwirtschaftsförderung
Lenz M. Moser, Winzer und Weinberater, lobt die Strategie: "Sie geben auch ganz klar vor: Qualitätsreben, Qualitätsweinbau, Prämiumweine und machen dann natürlich auch die Rahmenbedingungen von der PR und von der Förderung der ganzen Szene hier sehr, sehr viel, und meiner Meinung nach machen sie das extrem gut."
Zwar trinkt ein Chinese im Schnitt nur etwa eineinhalb Liter Wein im Jahr, Deutsche über 20, aber da es so viele Chinesen gibt, ist das Land beim Konsum schon jetzt ein traubenroter Riese; auch der Weißwein wird populärer.
Und es ist noch viel Luft nach oben - für Produzenten weltweit eine berauschende Perspektive. China setzt an zum großen Schluck, deshalb werden auch im Land selbst die Anbauflächen und Anlagen immer größer, und das Weinwissen der Bevölkerung wächst mit.
"Der große Schluck"
Wo schmeckt die Zunge was? Im Chateaux-Changyu Moser: Weinnachhilfe im eigenen Museum: welcher passt zu welchem Essen. Wein – besonders die teuren Flaschen – stand lange Zeit vor allem bei Parteikadern auf dem Tisch, bis die jüngste Antikorruptionskampagne der Regierung einen Korken auf die Gelage setzte.
Zwar wurde die Firma Changyu schon vor über 100 Jahren gegründet, aber im Land der Tee- und Schnapstrinker fristete Wein im Volk dennoch immer ein Schattendasein.
Dorian Tang arbeitete in den USA als Sommelière, nun bringt sie ihren Landsleuten die Weinkultur näher. Die Zeiten, da Cola gerne mal in den in Wein gemischt wurde, scheinen vorbei: "Vor 20 Jahren war es noch üblich, dass man Wein nur verschenkte an Freunde oder Geschäftspartner. Oder man kaufte welchen und stellte sich die Flasche in den Schrank, weil man Wein für luxuriös hielt."
Wer jetzt Wein kauft, trinkt ihn in der Regel gerne selbst. Weinkurse sind begehrt, nicht nur bei Angestellten in der Gastronomie. Hier sitzen Ärzte, Lehrer, vor allem die immer größer werdende Mittelschicht ist auf den Geschmack gekommen. Viele haben Wein auf Auslandsreisen für sich entdeckt oder sehen in ihm einen Ausgleich ist für den stressigen Alltag in den Metropolen.
Der Wein und fernöstliche Phillosophie
Weinliebhaber Wu Hongjiang hat sein eigenes Ritual: "Er steht für ein langsameres Leben. Man setzt sich hin, trinkt den Wein, beobachtet die Farbe, konzentriert sich auf die Qualität und die Weinkultur. Es ist ein Lebensstil."
Den genießt auch Wang Feng. Sie freut sich auf die Weinlese, doch danach wird es hier eisig kalt: "Im Winter müssen wir die Reben daher im Boden vergraben. Das ist viel Arbeit und schadet dem Wein manchmal. Ich denke, wenn wir einige ernste Probleme lösen, dann werden wir vielleicht nicht das zweite Bordeaux, aber doch eine sehr gute Weinregion in der Welt."
Die aufwendige Produktion macht guten chinesischen Wein nicht gerade billig. Doch das schreckt Experten nicht ab. Fast täglich kommen Weintouristen bei ihr vorbei. Wang Feng und andere Weingüter der Region haben schon mehrere internationale Preise gewonnen. Sogar die vornehme Hongkong Wine Society zollt den Winzern hier Respekt. Magalie Nay analysiert: “Die Rotweine sind wirklich beeindruckend. Das sind gut gemachte Weine. Aber ich kann noch nicht einen spezifischen Boden erkennen, wie man ihn in französischen Weinen findet oder in deutschen an der Mosel etwa.“
Abends genießt Wang Feng ihre Roten und ihren Weißen mit ihrem Vater, selbst ein Winzer und Weinpionier in Ningxia. Die ersten chinesischen Weingüter haben schon den Sprung nach Europa gewagt. Aber Wang Feng möchte lieber weiter China erobern, denn der Markt – meint sie – sei schließlich groß genug.
Autor: Mario Schmidt, ARD Peking
Stand: 09.07.2019 23:55 Uhr
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