So., 06.12.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
England: Sexismus im Schloss
Downton Abbey-Fans kennen die Geschichte: Drei Töchter hat die Familie, aber das Erbe droht an den entfernt verwandten Cousin zu gehen, den keiner kennt: eine wahre Geschichte, inspiriert von einem Vorfahren des Viscount Torrington, den genau dasselbe Schicksal traf: drei Töchter, womit auch sein Titel an einen Cousin in Kanada und nicht an Hatta, seine älteste Tochter, gehen wird.
Kampf für Gleichberechtigung
Deutlich entschiedener ist da Charlotte Carew Pole. Sie kämpft jetzt als erste aktiv für ein Gesetz, das diesem uralten Missstand ein Ende bereiten soll und hat damit in englischen Adelskreisen für erhebliche Unruhe gesorgt: "Den Adel hier wollen wir ja aber gar nicht antasten. Schauen Sie, wie populär die Queen ist und Downton Abbey. Und ob man es mag oder nicht, das alles wird bleiben. Aber genau deshalb sollten wir die Frauen darin nicht diskriminieren."
Charlotte kommt eigentlich aus einer ganz normalen Mittelklassefamilie: Als junge Frau heiratete sie den Sohn des 13. Barons Richard Carew Poles, mit Sitz in Cornwall. Dann aber kam 2015 ihr erstes Kind: Ein Mädchen. Und die Reaktion ihres Umfelds waren so ganz anders als sie erwartet hatte: „Mir wurde klar bedeutet, ich hätte die Familie hängengelassen, weil ich keinen Sohn bekommen hatte. Und dass ich es nochmal versuchen könne, mit einem besseren Ergebnis, also einem Sohn.“
Geänderte Erbfolge im Königshaus
Die Queen hatte das bereits 2013 erkannt und die Erbfolge im Königshaus geändert. Wäre Williams und Kates erstes Kind ein Mädchen gewesen, dann wäre dieses Mädchen die nächste Thronfolgerin geworden.
Der englische Hochadel aber zog nicht nach. Im House of Lords wurde ein entsprechender Gesetzesentwurf 2014 abgelehnt, womit adligen Frauen auch das Recht genommen wurde, hier als Erb-Lords zu sitzen und Politik zu machen.
Einer derjenigen, die strikt gegen eine Änderung der männlichen Erbfolge sind, ist Lord Trenchard: "Es ist extrem kompliziert, weil für jeden Titel eigene Regeln gelten. Und dann gibt es ja sehr viele, die sowieso grundsätzlich gegen das Erbrecht von Titeln und Adelsständen sind. Und ist es da wirklich klug, schlafende Hunde zu wecken."
Gegen das männliche Erbrecht
Tanya Field sieht das ganz anders: Ohne das männliche Erbrecht wäre sie als älteste Tochter Lady von Macclesfield und Erbin des Wasserschlosses Shirburn Castle, das nachhässlichen Erbstreitereien in der Familie jetzt leer steht. Mit 17 beschloss sie, in die normale Welt zu flüchten und lebt und arbeitet seitdem in einer der ärmsten Ecken Oxfords als Sozialarbeiterin.
Tanya erwähnt ihre Herkunft bewusst nicht. Der Titel als solcher bedeutet ihr wenig, ihr altes Umfeld vermisst sie nicht: "Ich fand diese Adligen alle sehr selbstbezogen. Sie sind alle gleich, aus derselben Schicht. Wenn man diskutieren wollte, waren alle immer derselben Meinung. Und ich aber mag Leute von überallher: sie sind faszinierend, manchmal treiben sie einen zur Raserei, aber es ist immer interessant hier."
Dennoch kämpft Tanya mit in der Kampagne gegen das männliche Erbrecht. Denn sie will den Titel, um ins House of Lord einzuziehen.
Und weil sie nicht sicher sind, ob sie im eigenen Land genug Unterstützung finden, hat Charlotte ihr Anliegen jetzt auch beim Europäischen Menschengerichtshof eingereicht. Sie jedenfalls werden keine Ruhe geben, bis nicht auch der englische Adel beim Thema Frauen in der Gegenwart ankommt.
Autorin: Annette Dittert, ARD London
Stand: 06.12.2020 20:17 Uhr
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