So., 28.03.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Frankreich: Der letzte Leuchtturm
"Da entlang", sagt Benoit Jenouvrier. Hochkonzentriert – gegen den Wind. Benoit und Thomas machen sich zum Aussteigen bereit, am Leuchtturm von Cordouan. Sie haben nur wenige Minuten. Die Flut steigt. "Wir laden erstmal alles aus", sagt Thomas.
Entschleunigtes Leben im Leuchtturm
Wachwechsel der Leuchtturmwärter. Der Steg steht schon unter Wasser. In den Kisten: Alles, was Thomas und Benoit für die Woche brauchen. Wenn die Tür zu ist, sind die beiden ganz allein. Ankommen im Windschatten. Anpassen an einen anderen Rhythmus. Auspacken in einer anderen Welt. "Sobald wir hier sind, sind wir nur noch hier. Wir können uns nicht mehr groß bewegen, wir können nicht mehr weg. Wir können uns Zeit für Dinge nehmen. Hier bin ich viel ruhiger als zu Hause", erzählt Thomas.
Der Leuchtturm im Südwesten Frankreichs, über 400 Jahre alt, ein Denkmal. 301 Stufen. Benoit und Thomas kommen beim Hochgehen schon lange nicht mehr aus der Puste. Die beiden schauen, ob oben alles in Ordnung ist.In fast 70 Metern Höhe: Die Befeuerung. Die Linse ist verstaubt. Saubermachen ist angesagt. "Wenn eine Sache hier blitzblank sein muss, dann ist es das, ganz klar", sagt Benoit. Noch heute wird der Leuchtturm zur Orientierung benutzt – trotz Satellitennavigation.Thomas erklärt: "Es ist immer noch wichtig, eine visuelle Hilfe zu haben. Das ist wie im Auto. Rot heißt: nicht durchfahren, gefährlich. Grün heißt: reinfahren, hier ist es sicher."
Die Arbeit dort bedeutet für die Angestellten Freiheit
Langsam wird es dunkel über dem Leuchturm von Cordouan. Die Befeuerung geht automatisch an. Aufgabe der Wärter ist das schon lange nicht mehr. Trotzdem kommen die zwei oft nach oben. "Ich finde das immer wieder toll. Diese Lichteffekte, die entstehen. Wie sich Licht bricht", erzählt Benoit.
Der Lichtschein ist 40 Kilometer weit zu sehen. Rund 60 Meter tiefer: Gemeinsam essen, gemeinsam arbeiten. ein oder zwei Wochen, zu zweit. Sechs Leuchtturmwärter wechseln sich ab. Der nächste Morgen. Benoit und Thomas können nach draußen. Es ist Ebbe. Sie kämpfen sich durch den Sturm. Ein kleiner Spaziergang über das Plateau, auf dem der Leuchtturm steht. "Wir haben all das für uns. Ich fühle mich hier total frei. Der Vorteil am Leuchtturm ist, dass wir gar nicht so eingesperrt sind, wie man vielleicht denkt", sagt Benoit.
Alltag ohne Zwänge
So oft es geht, sind die beiden um den Leuchtturm unterwegs. Im Sommer führen sie hier durch, sonst übernehmen sie kleine Reparaturarbeiten. Benoit kümmert sich regelmäßig um das Geländer. Das raue Klima ist aggressiv. Seit neun Jahren ist der gelernte Elektriker und Bildhauer fest angestellt: "Ich mag, dass man sich in dem alten Gebäude intensiv mit den Materialien beschäftigen muss. Man muss sich mit der Substanz des Leuchtturms auseinandersetzen. Diese alten Techniken sind meine Leidenschaft."
Eine Etage tiefer. Thomas poliert Kupferteile. Nach dem Studium hat er auf Kreuzfahrtschiffen und in Ferienclubs gearbeitet. Durch eine Anzeige in der Zeitung ist er zufällig an den Job gekommen: "Niemand würde mir sagen, polier das Kupfer oder lass es sein. Es gibt keinen, der das so bestimmen kann. Wenn ich Lust habe, erledige ich das einfach. Ich finde das eine total angenehme Atmosphäre. Es ist nicht: Montag machst Du das, Dienstag das. Ich wollte genau so leben."
Auf dem Leuchtturm: wenig Kontakt zur Außenwelt, kaum Handynetz. Viel zusammen hier sein, weit weg von der Familie. "In den Momenten, wo mir meine Frau und Tochter fehlen, heißt das nicht, dass ich von hier weg will. Dann würde ich gerne mit ihnen zusammen sein. Wenn meine Frau und meine Tochter hier wären, könnte das ganze Jahr hier sein. Uns fehlt ja nichts hier", sagt Benoit. Ihren Job als Leuchtturmwärter hier auf Cordouan möchten sie mit niemandem tauschen.
Autorin: Friederike Hofmann / ARD Studio Paris
Stand: 28.03.2021 20:03 Uhr
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