Mo., 12.11.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Frankreich: 100 Jahre Ende 1. Weltkrieg
Der frühe Wintereinbruch breitet den Schnee wie ein Totenhemd über die Gräber von Douaumont, unweit von Verdun. Fünfzehntausend Soldaten liegen allein hier begraben. – Krater, überall. – Nicht das einzige Zeugnis der Zerstörung, die der 1. Weltkrieg – der große Krieg, wie die Franzosen ihn nennen – hinterlassen hat.
Spuren des Krieges bis heute sichtbar
Jean-Luc Mathieu nimmt uns mit in seinen Wald. Der Förster kennt nahezu jeden Baum hier. Er zeigt uns die Spuren des Krieges die bis heute sichtbar sind. "Ja, das ist Stacheldraht. Der wurde während des 1.Weltkriegs hier verlegt, um die Einheit, die dahinten lag, zu schützen. Diese Bäume waren 1914 schon da, sie sind nicht viel gewachsen. Der Stacheldraht ist eingewachsen. Das Holz dieser Bäume können wir für nichts mehr nutzen", erzählt Jean-Luc Mathieu.
Ein paar Kilometer weiter treffen wir – Cédérique Servais. Er ist Milchbauer. Gerade hat eine seiner Kühe gekalbt. – Vor drei Jahren musste er 30 seiner Tiere töten. Damals wurden auf seinem Land Altlasten einer Munitionsfabrik des 1. Weltkrieges entdeckt.
"Damals hat man mir verboten, meine Tiere und auch die Milch zu verkaufen. Alles wurde zerstört, 9 Monate lang. Man hat Analysen gemacht um zu testen, ob es Verunreinigungen gibt", so Cédérique Servais.
Folgen auch für die Natur
Gefunden wurde unter anderem: Blei, Arsen, TNT, Giftgas-Rückstände. Cédérique musste auch einige seiner Äcker stilllegen – Ersatzböden hat man ihm viele Kilometer entfernt von seinem Hof angeboten. Unakzeptabel für den Landwirt. In seinem Büro, das er sich zwischen seinen Kühen eingerichtet hat, bewahrt er alle Unterlagen auf. Auch alte Fotos von der Munitionsfabrik. Historische Aufnahmen zeigen: Französische Soldaten, die Granaten und Munition in große Gruben schleppen um sie anschließend zu sprengen und zu vernichten. Der Bürgermeister von Spincourt beschäftigt sich seit ein paar Jahren intensiv mit dem Thema. Er zeigt uns, wo die Munitionsfabrik gestanden hat.
"In diesem Bereich, den Sie hier sehen, und der nicht bewirtschaftet ist, bis dort hinten ungefähr, stand eine Fabrik zur Zerstörung der Munition des 1.Weltkrieges. Also ungefähr eine halbe Million chemischer Granaten und 30 bis 40.000 noch explosiver Granaten", sagt der Bürgermeister Francois Brelle.
Gesamtes Ausmaß der Vergiftung noch nicht geklärt
Über die Folgen für die Natur, für die Menschen hier wurde nicht nachgedacht und nicht gesprochen. Fast ein ganzes Jahrhundert lang. "Was der 1.Weltkrieg für mich bedeutet? Als ich herausfand, dass diese Fabrik auf meinen Feldern stand, das hat mich echt kalt erwischt. Man kann sagen, dass ich 100 Jahre später noch darunter leide", so Cédérique Servais. Das gesamte Ausmaß der Vergiftung ist bislang nicht geklärt – Der 1. Weltkrieg: hier ist er noch immer nicht zu Ende.
Autorin: Sabine Rau /ARD Studio Paris
Stand: 29.08.2019 05:29 Uhr
Kommentare