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Indien: Schutzlos – Corona-Hotspots auf dem Land

Indien: Schutzlos – Corona-Hotspots auf dem Land | Bild: picture alliance/Xinhua

Großer Andrang am Morgen im Gesundheitszentrum in Lauriya. Hier im bitterarmen Bundesstaat Bihar wird einer der neuesten Corona-Brennpunkte Indiens vermutet. Es kommen deutlich mehr Patienten als sonst, viele mit Husten, Fieber und Durchfall, klassischen Corona-Symptomen.

Doktor Anil Kumar tut, was er kann. Doch er ist der einzige ausgebildete Arzt in der Umgebung - für 200.000 Einwohner.

Doktor Kumar weiß, dass er von der Regierung nicht viel Hilfe zu erwarten hat. In der gesamten Provinz wurden von drei Millionen Einwohnern bislang gerade mal 0,5 Prozent auf Corona getestet – mehr Kapazität gibt es nicht. So kann er der Patientin nur raten zuhause zu bleiben, damit sie niemanden ansteckt. Und das ist schon schwierig genug.

Keine Ärzte im Krankenhaus

Offiziell gibt es in der Region gerade mal 500 Corona-Fälle. Neben der Praxis von Doktor Kumar liegt das öffentliche Krankenhaus. Eigentlich sollten hier 30 Corona-Tests am Tag durchgeführt werden. Aber seit Tagen hat sich kein Regierungsarzt mehr blicken lassen. Fünf Corona Tote soll es gegeben haben. Doch was heißt das schon: In ganz Indien wird nur jeder fünfte Todesfall medizinisch untersucht. Hier in Lauriya sind es noch viel weniger. Vor allem die Armen sind auf sich alleine gestellt.

Aktion in Neu-Delhi

Dass es auch anders geht, zeigt 1000 Kilometer entfernt die Hauptstadt Neu-Delhi. Mit offiziell 130.000 Infizierten seit Wochen der Corona-Brennpunkt Indiens. In dieser Woche veröffentlichten die Behörden eine große Antikörper-Studie, die nahelegt, dass fast jeder vierte Bewohner bereits infiziert war. Das wären fünf Millionen Menschen.
Um den Zusammenbruch des Gesundheitswesens abzuwenden, hat Delhi in der ganzen Stadt solche Behandlungszentren eingerichtet: In dieser Sporthalle sind 150 leicht erkrankte Covid-Patienten untergebracht. Doch medizinisches Personal ist knapp: 12 Ärzte wechseln sich ab, alles Freiwillige. Einer davon ist der Radiologe Rajat Jain. Er organisiert das Zentrum.

Rajat Jain aber sieht es als seine Pflicht, den Menschen zu helfen. Die Schichten der Ärzte und Pfleger dauern jeweils drei Stunden. Länger halten sie es in den Schutzanzügen nicht aus. Gleich zu Beginn muss Rajat Jain einen Patienten beruhigen, dessen Blutsauerstoffwert bedenklich abgefallen ist. Sollte es schlimmer werden, muss er in eine Klinik verlegt werden. Die allermeisten Patienten haben keine oder nur milde Symptome. Es sind Menschen, die zuhause nicht genug Platz haben sich selbst zu isolieren. Das bedeutet zwei Wochen Zwangseinweisung in die Sporthalle.

Kapil Chopra hat es hinter sich: Zehn Tage, vier davon mit Husten und Fieber. Jetzt hat er keine Viren mehr und darf nach Hause. In der vergangenen Woche sind in Delhi fast doppelt so viele Corona-Patienten genesen wie sich neu angesteckt haben. Endlich ein Lichtblick.

Zurück in Lauriya: Nach zehn Stunden geht Anil Kumar eine letzte Runde durch seine Praxis. Viele arme Patienten behandelt er kostenlos. Doch allen kann er nicht helfen. Und dann muss er auf dem Nachhauseweg auch noch Medikamente für den nächsten Tag organisieren.

Eine gründliche Dusche bevor er zu seiner Familie geht. Besser wird es morgen auch nicht werden, glaubt er. Im Gegenteil: Das Schlimmste steht uns hier wohl noch bevor.

Autor: Peter Gerhardt, ARD Neu-Delhi

Stand: 26.07.2020 20:48 Uhr

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