Mo., 20.07.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Iran: Die Hoffnung kehrt zurück
Viele Iraner feiern. Nicht nur das Ende des Ramadans. Sondern auch das erfolgreiche Ende der Atomverhandlungen. Es ist als ob das Land einen Aufbruch erlebt. Sanktionen sollen fallen, eingefrorene Gelder in westlichen Ländern sollen freigegeben werden und Firmen aus allen Kontinenten stehen Schlange, um zu investieren. Das Land öffnet sich wirtschaftlich und – so hoffen vor allem jüngere Iraner – auch kulturell. Das ist zu spüren bei jungen Designern und Filmemachern genauso wie in der gerade entstehenden Startup-Szene in Teheran. Eine aktuelle Reportage von ARD-Korrespondentin Natalie Amiri (ARD Teheran).
Chance, ein neues Bild des Iran zu zeigen
Naghmeh Kiumarsi ist eine der bekanntesten Modedesignerinnen im Iran. Sie entwirft schon seit langem in ihrem Atelier die bunt bedruckten Mäntel und Kopftücher, verkauft sie sogar ins Ausland. Wenn sie in Europa ist, muss sie immer wieder gegen das Bild der schwarz gekleideten Frau im Iran ankämpfen. "Ich selber bekomme meine Inspiration und Ideen aus der iranischen Kultur. Und da waren die Stoffe schon immer bunt. Die Welt hat oft eine falsche Vorstellung von uns und ich freue mich unglaublich, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, ein schönes und besseres Bild des Iran zu zeigen."
Aber auch wenn die Designerin das Straßenbild durch ihre Mäntel hat bunter werden lassen, aufgrund der Sanktionen konnten sich immer weniger Menschen ihre Designerstücke leisten. "Es kann sein, dass vielleicht eine kleine auserwählte Gruppe von Menschen die Sanktionen nicht gespürt haben. Aber wir waren alle Teil eines großen Kreislaufes. Wenn die Menschen nichts mehr verdienen, können sie sich keinen Mantel bei mir leisten und ich kann niemanden anstellen. So hängen wir alle voneinander ab. Aber jetzt hoffe ich sehr auf Besserung." Sie designt im Kopf schon die nächste Kollektion und hofft, dass sich jetzt nach dem Atomdeal auch wieder mehr Touristen in ihr Land trauen, die dann auch sicher in einem ihrer Mäntel durch die Straßen Teherans laufen wollen.
Ausländische Investoren werden gesucht
Hoffnung versprüht auch Nazanin Daneshvar. Die modern denkende und emanzipierte Frau, war immer schon ziemlich mutig. Zu Zeiten, während die meisten jungen Menschen versuchten dem bleiernen Klima zu entkommen und das Land zu verlassen, traute sich die Jungunternehmerin in die Zukunft zu investieren. Ihr Start-up Unternehmen bietet täglich über Internet billige Deals an, für Restaurants, Fitnessstudios und Supermärkte. Ähnlich einem deutschen Modell. Und das kommt an, bei den vielen Internetnutzern des Landes. "Der Iran hat die höchste Nutzungsrate im Internet im Mittleren Osten. Also hat der Iran auch die höchste Anzahl an Internetusern. Wir haben hier so ein großes Potential und da hilft natürlich der Anschluss an den Westen, so können wir unser Know How verbessern und ausländische Investoren finden. Die Firmen kommen so aus dieser Regionalität raus und aus der Isolation."
Sie erzählt mir, dass sie nicht glaubt, dass es gefährlich wird für ausländische Investoren. Denn der Iran kann es sich wirtschaftlich nicht leisten wieder Sanktionen zu provozieren, er muss sich an die Regeln halten. Und sie hofft auf noch etwas anderes: "In Standford und Berkley sind die besten Absolventen die Iraner. 98 Prozent von ihnen kommen nicht zurück. Ich hoffe, dass es jetzt mehr wagen, hierher zu kommen und dieser Brain Drain der so lange stattgefunden hat aufhört, im Gegenteil, dass das Wissen zu uns zurück ins Land kommt."
Hoffen auf eine bessere kulturelle Zusammenarbeit
Und dann gibt es noch diejenigen, die auf eine kulturelle Öffnung im Land hoffen. Der Film der iranischen Produzentin Fereshteh Taherpour, in der es um Transsexuelle geht, wurde nach nur ein paar Vorstellungen im Iran eingestellt. Ihre Tochter Ghazal spielt darin die Hauptrolle. Nicht leicht, wenn der eigene Film im eigenen Land nicht gezeigt werden darf und im Ausland bei über 200 Festivals bejubelt wird. Es war eine Durststrecke bisher. "Es wurden weniger Bücher geschrieben, weniger Filme produziert, die internationale kulturelle Zusammenarbeit kam fast zum Erliegen", erzählt die Schauspielerin Ghazal Shakeri. "Ja klar, heute sind wir natürlich sehr glücklich. Endlich haben unsere Politiker eine internationalere und bessere Sprache gefunden um für mehr Transparenz zu sorgen."
Vor ein paar Tagen hat Präsident Rohani die wichtigsten Kulturschaffenden des Landes eingeladen und ihnen Versprechen gegeben. "Er hat uns gesagt, dass er nicht allein der Entscheidungsträger im Land ist und dass viele Probleme zusammenkommen, bis sie gelöst werden können, kann es noch ein wenig dauern. Er hat sich auch indirekt dafür entschuldigt, dass einige Versprechen die er uns zu Beginn seiner Amtszeit gab, noch nicht erfüllt hat. Es wird sich nicht alles im Iran an einem Tag, in einem Jahr ändern. Es braucht Zeit. Ich hoffe die Atmosphäre wird offener, ich hoffe es werden gute Dinge passieren. Ich weiß, es werden auf jeden Fall Türen aufgehen. Aber wie das aufgenommen werden wird, das weiß ich heute noch nicht."
Die Schauspielern singt übrigens auch noch, aber nicht öffentlich. Das ist bisher im Iran verboten. Und vermutlich wird diese Tür trotz Atomabkommen noch lange zubleiben. Trotzdem wirkt es, als wäre im Iran ein neues Gefühl des Zusammenhaltens entstanden, Regierung und Bürger, Iraner mit Iraner und der Iran mit der Welt.
Stand: 08.07.2019 22:39 Uhr
Kommentare