So., 03.12.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Israel/Gaza: Aktuelle Lage
Nach einer Woche ist die Vereinbarung über eine Feuerpause zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas abgelaufen. Die Kämpfe im Gazastreifen wurden wieder aufgenommen. Der Weltspiegel berichtet aktuell über die Lage vor Ort.
Zurück im zerstörten Haus
Khan Younis im Süden von Gaza. Khalil, Sumeyye und ihre Kinder leben wieder auf der Straße, wieder im Krieg. Die Waffenruhe ist vorüber. "Wie soll ich mich fühlen, es ist so aussichtslos. Tod und Zerstörung gehen jetzt weiter. Letztes Mal haben wir überlebt, ob wir nochmal überleben, weiß ich nicht." Erneut sind sie Flüchtlinge, so wie mehr als 1,7 Millionen Menschen, die im Süden von Gaza unter prekärsten Umständen ausharren. Khalil und seine Familie kehren zurück in ihre provisorische Behausung. Noch wissen sie nicht, wie gefährlich es auch hier bald wird.
Dabei gab es diesen Moment der Hoffnung vor 10 Tagen. Es war der erste Morgen seit fast zwei Monaten ohne Kämpfe. Der Beginn der Waffenruhe. So wie viele Menschen in Gaza, brechen Khalil, Sumeyye und die Kinder auf – nach Hause, ins Zentrum von Gaza. Sie wissen nicht, was sie dort erwartet, wie lang die Waffenruhe hält.
Zurück in seiner Nachbarschaft findet Khalil ein Trümmerfeld vor. "Wir haben hier Horror gesehen, auch die Kinder, die Bombardierungen und die Zerstörung, das kann man nicht vergessen. Das prägt sich ein und bleibt in den Albträumen." Er will wissen, ob auch sein Zuhause zerstört wurde. Das Haus steht, aber in fast allen Räumen eingestürzte Decken, komplette Verwüstung. Und dennoch – sie wollen versuchen, einiges zu reparieren während der Waffenruhe. Lieber hier übernachten als zurück auf die Straße. "Ich will uns die Räume etwas herrichten, damit wir bleiben können, hier haben wir Bad und Klo", sagt Sumayye Abu Omar. "Die Küche ist erstmal nicht so wichtig."
Keine Hoffnung auf erneute Waffenruhe
Trotz aller Zerstörung, an diesem ersten Tag der Waffenruhe nehmen sie alle Kraft zusammen, hoffen. "Ich wünsche mir, dass es einen richtigen Waffenstillstand gibt. Wir haben genug vom Krieg. Ich möchte in die Schule gehen, meine Freundinnen und den Schuldirektor sehen, ich vermisse sie." Eine Woche lang bleibt es hier ruhig. Während der Waffenruhe lässt die Hamas 110 Geiseln frei. 240 palästinensische Gefangene werden aus israelischen Gefängnissen entlassen. Doch dann vor zwei Tagen am Freitagmorgen – Spuren von Raketen aus dem Gazastreifen, heftige Bombardierungen der israelischen Armee.
Die Waffenruhe ist vorbei, die Verhandlungen gescheitert. Israel und die Hamas machen sich gegenseitig verantwortlich. Und Khalils Familie musste ihr Zuhause erneut verlassen, ist wieder in Khan Younis, zurück auf der Straße. "Das ist unsere erste Mahlzeit, seitdem wir wieder flüchten mussten, seit dem Ende der Waffenruhe", sagt Khalil Abu Omar. "Wir kochen hier mitten auf der Straße mit Holz und überall ist Staub und Schmutz." Plötzlich: Einschläge nicht weit entfernt. Wenig später fordert das israelische Militär auch Menschen in Khan Younis auf, die Gegend zu verlassen. Doch wohin? Khalil und seine Familie wissen es nicht. Erstmal bleiben sie hier. Die Hoffnung der vergangenen Woche ist vorbei – eine Rückkehr in ihr Zuhause, eine erneute Waffenruhe oder gar ein langfristiger Waffenstillstand – im Moment sehr unwahrscheinlich.
Autorin: Sophie von der Tann
Stand: 04.12.2023 16:39 Uhr
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