So., 24.05.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Israel: Stilberaterin mit Gottes Segen
Beit Schemesh 35 Kilometer südöstlich von Jerusalem. Eine Hochburg des ultraorthodoxen Judentums.
Kein Einkaufen mehr ohne Fiebermessen
Auf der Suche zurück in die Nach-Corona-Normalität ist auch Devorah Golan. Sie ist modern-orthodoxe Jüdin und freiberufliche Stylistin. Selbstbewusste Modeberaterin in der Welt der Strenggläubigen, wo die Männer bestimmen – und die Kleidung der Frauen sittsam und züchtig sein muss.
Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Israel haben wir Devorah bei ihrer außergewöhnlichen Arbeit begleitet. Ende Februar lief es gerade richtig gut für die in den USA geborene Mutter von fünf Kindern. Ihre Shopping-Touren waren gut gebucht. Ihre Klientinnen sind orthodox-gläubig, doch modern und divers wie die gesamte Gesellschaft. Alle bedecken ihre Haare. Aber sie entscheiden, ob mit Mützen, Bändern oder wie Devorah mit Perücken.
Dass Devorah das Selbstvertrauen ihrer Klientinnen aufpoliert, die in einer männerdominierten religiösen Gesellschaft leben, ist ganz entscheidender Programmbestandteil. Am Ende wird alles via Social Media präsentiert.
Parallel dazu hat sich die 38-Jährige eine Gruppe von Privatkundinnen aufgebaut, die ihre Schränke für Devorah öffnen wie Karina, die ihr Gesicht nicht zeigen möchte. Sie will sich modisch weiterentwickeln, als Frau gut fühlen und trotzdem sittsam bleiben. Da wird radikal ausgemistet.
Corona-Zeiten
Die Shopping-Touren, der enge Kundinnen-Kontakt – vorerst alles Geschichte. Devorahs Heimatstadt Beit Shemesh war als Corona-Hotspot israelweit in der Kritik. Weil sich viele Großfamilien nicht an die Abstandsregeln gehalten haben.
Mittlerweile ist wieder mehr Alltag eingekehrt. Die ganze Familie ist stolz darauf, dass die Mama zu einer modischen Influencerin der orthodox-jüdischen Gemeinde geworden ist. Die Jungs sind in ihrer Familie in der Überzahl. Aber Devorah und ihre einzige Tochter gleichen das mit weiblichem Selbstbewusstsein aus. Devorah kann ihre Styling-Beratungen nun erstmal nur via Social-Media anbieten. Aber irgendwann bald, so hofft sie, geht es auch wieder im persönlichen Kontakt.
Autorin: Susanne Glass, ARD Tel Aviv
Stand: 24.05.2020 22:14 Uhr
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