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Jamaika: Gefährlicher Trend "Skin Bleaching"

Jamaika: Gefährlicher Trend "Skin Bleaching" | Bild: Marie-Kristin Boese / ARD Mexiko-Stadt

Zur Mittagszeit meiden Arthur und Kerine Jamaikas Sonne: Ihre Haut soll nicht dunkler werden, sagen sie. Die beiden bleichen ihre Haut – sie bleachen. In Kingston gehen die Mittelchen dafür über den Ladentisch. Spezial-Lotionen, Seifen, Gels. Die meisten hemmen das Pigment Melanin, das die Haut dunkel macht – und schützt.

Jamaika, früher Kolonie der Briten, die hier Sklaven brutal ausbeuteten: 90 Prozent haben afrikanische Vorfahren. Im Reggae besingen Musiker ihre Wurzeln. Trotzdem boomt in Downtown das Geschäft mit den Bleichcremes. Und unterm Ladentisch gibt es Gepanschtes aus Zahnpasta, Chemie, manchmal auch Curry.

Warum viele bleachen? Weil die Gesellschaft immer noch ungleich ist, sagen sie. Weil hellere Haut für Wohlstand stehe. Schwarz waren die Sklaven auf den Feldern.
Die weiße Schönheitsnorm: ein koloniales Überbleibsel, aktuell aber auch Trend, den Stars vorgeben. In Jamaika entstand eine Farbhierarchie, sagt Donna Hope. Anstatt gemeinsam Rassismus zu bekämpfen, der alle Schwarzen betrifft, gebe es Konflikte untereinander: "Menschen, die heller sind, befinden sich eher an der Spitze der Gesellschaft, dunklere am unteren Ende. Die sehen dann im Bleaching eine Möglichkeit für sozialen Aufstieg. Die jamaikanische Gesellschaft hat also noch viel Arbeit vor sich."

Mode wird zur Sucht

Arthur mixt nun sein Spezial-Rezept. Ein bisschen hiervon, etwas davon. Das wirke besonders gut. Die Rötungen kann er allerdings kaum verbergen. Für ihn war Bleachen einfach modisch. Der Teint kam gut an bei den Frauen. Inzwischen sei es eine Sucht: "Wenn ich aufhöre, dann wird meine Haut richtig dunkel. Also mache ich weiter und versuche, den Ton zu halten."

Ärzte aber schlagen Alarm, weil gebleichte Haut dünn und rissig werde, anfällig für Ausschläge. Einige Cremes, die harmlos wirken, enthalten Hydrochinon – die EU verbietet das in Kosmetik, weil es wohl Krebs verursachen kann. Einige afrikanische Länder haben Bleichcremes auf den Index gesetzt. In Jamaika aber verkaufen Firmen weiter die Botschaft, das helle Haut schön sei. Viele ignorieren das Risiko.

Party in Kingston – ein Sehen und gesehen werden. Party-Szene bedeutet: Bleaching-Szene. Aussehen wie die Stars – das ist das Ziel. Wie viele bleachen weiß keiner so genau, weil keiner gerne drüber redet.

Aktivistinnen gegen Bleaching

Sie kämpfen dagegen: nicht mit Verboten, sondern Aufklärung: Aktivistinnen in einer Mädchenschule. "Liebe Deine Haut" steht auf ihren Shirts. Gabriel ermutigt die Mädchen, stolz auf ihre Wurzeln zu sein: "Dir wird die ganze Zeit erzählt: Du bist zu dunkel, du musst das abdecken, du sollst so nicht aussehen."
Im Gespräch kommt Unsicherheit auf. Wie soll man umgehen mit Freunden, die bleachen? Es bleibt ein sensibles Thema. Manche wünschen sich Stars, Vorbilder, die ihnen Mut machen. Jamaika stehen Diskussionen bevor, weil sozialer Status und Hautfarbe eng verflochten sei. Gabriel Morris, Aktivistin: "Menschen verbinden mit schwarzer Haut weniger Chancen. Weniger ökonomischer, politischer, sozialer Macht. Wir wollen die Machtbalance ändern, deshalb müssen wir die Menschen aufklären."

Im Wohnblock von Arthur und Kerine bleachen vier Nachbarn, erzählen sie. Es stimme vermutlich, sagt Kerine: Einige erhoffen sich so bessere Chancen, im Liebesleben, im Job: "Wenn du hellere Haut hast, dann verhalten sich die Leute auf eine bestimmte Art: korrekt."

Autorin: Marie-Kristin Boese, ARD Mexiko-Stadt

Stand: 22.10.2023 21:58 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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