So., 11.04.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Kolumbien: Der Kaffee wird knapp
Schon lange bemerken die Kaffee-Bauern in Kolumbien, wie sich ihre Kaffee-Gärten verändern. Die Ernte wird immer geringer. Der Ertrag pro Pflanze sinkt seit Jahren. Und nicht selten sterben die Pflanzen an den Hängen der Anden ganz ab. Grund ist der Klimawandel, denn Kaffeepflanzen sind sensibel. Temperatur, Feuchtigkeit und Sonnenscheindauer, alles muss exakt zusammenpassen, damit sie die roten Kaffeekirschen hervorbringt. Es sind die Auswirkungen des Klimawandels, die hier in den Anden zu ausbleibendem Regen oder zu starkem Regen führen, beides setzt dem Kaffee zu. 2050 – so schätzen Experten – wird die Kaffeeproduktion weltweit um 50 Prozent zurückgegangen sein.
Klimawandel schädigt die Kaffee-Pflanzen
Der Gang durch ihr Kaffee-Feld hat gerade erst begonnen, doch Clara Largo ist schon angespannt. Sind die Kaffee-Kirschen gesund, oder ist ihr dieser verdammte Käfer schon wieder zuvorgekommen? "Der Klimawandel befeuert die Ausbreitung des Broca-Käfers, wenn du nicht permanent kontrollierst, dann geht er in die Frucht rein und frisst alles auf." Claras Familie hangelt sich den steilen Hang entlang, es hat wieder überraschend stark und oft geregnet, der Boden ist glitschig und – ja, da ist das Viech überall. "Das Problem ist dieses Tierchen, das ist schon eingedrungen und zerstört die ganze Bohne, schau…da frisst sie den Kern."
Es ist zum Heulen. Auch dieses Jahr ist es leider nur eine mittelmäßige Ernte. Kaffee ist empfindlich. Die Pflanze braucht ein mildes Klima von 18-21 Grad, und nur mäßigen Regen. Die Höhenlage hier zwischen 1.000 und 2.000 Metern ist eigentlich ideal. Doch die Erde erwärmt sich, das Wetter wird unberechenbar: "Es gibt Tage, die sind einfach zu heiß und andere zu kalt. Wenn es heftig regnet reißt es ganze Kaffeebäume mit sich. Wir werden ruiniert, wir gehen unter, weil wir nicht genug verdienen, um Essen zu kaufen und um unseren Kindern ein Einkommen zu zahlen." Hier oben auf etwa 1.300 Metern Höhe gehen Clara ihre Kaffee-Bäume ein. Drei zu heiße Sommer in Folge und es bleiben ihr nackte, vertrocknete Gerippe. "Es macht dich traurig. Du siehst Tag für Tag wie die Pflanzen trocknen, selbst wenn wir sie gegossen haben, haben sie nicht überlebt." Vor sieben Jahren hat die Familie einen Kredit aufgenommen, um mehr Kaffee anzubauen. Durch die Hitze ist keine einzige Bohne gewachsen, nur die Schulden sind geblieben. Für die Kleinbauern geht es direkt um die Existenz.
Zuckerrohr statt Kaffee
Rund um das Dorf Quinchia dreht sich alles um den Kaffee und das seit Generationen. Die etwa 3.000 Kleinbauern lieben ihre Tradition. Jede Kaffee-Kirsche wird, anders als in anderen Ländern, per Hand ausgewählt. Die Qualität machte Kolumbien zu einem Weltmarktführer. Durch den Klimawandel aber droht die Fläche für den Kaffeeanbau hier und weltweit zurückzugehen: in dreißig Jahren um 50%. Kaffee wird knapp werden. Schon heute geben viele Landwirte auf. "Es lohnt sich nicht mehr", klagt der ehemalige Kaffee-Bauer Alejandro Belalcazar. "Pro Kilo erziele ich nicht mal mehr die Hälfte des früheren Preises. Denn die Kaffee-Qualität wurde durch die Hitze deutlich schlechter, die Bohnen waren nur noch sehr klein."
Alejandro Belalcazar wohnt nur etwa 200 Höhenmeter tiefer als Claras Familie. Er ist dabei, dem Kaffee den Rücken zu kehren. Die meisten Kaffee-Bäume hat er bereits gefällt. Was noch steht, wird er bald austauschen. Alejandro sattelt um auf Kakao und Zuckerrohr. "Es ist traurig, der Kaffee bringt hier alles und jeden in Bewegung. Alle sind zufrieden, es ist wie Magie. Der Kaffee ist magisch, jeder der ihn produziert ist glücklich." Alles was seine Großeltern aufgebaut haben verschwindet für Zuckerrohr. Die Pflanze ist widerstandsfähiger bei hohen Temperaturen. Dennoch ist Alejandro um die Zukunft aller hier besorgt, weil auch das Zuckerohr nicht gegen zu viel Hitze gefeit ist. "Wenn wir den Klimawandel nicht stoppen wird er hier alles beenden. Für ein Morgen wird nichts bleiben. Die Sonne wird alles zunichtemachen."
Kaffeebauern kämpfen um ihr Überleben
Wer noch Kaffee anbauen will, muss deutlich weiter in die Höhe, Land kaufen können und roden wollen. Das kommt für Familie Chiquito-Ibarra nicht in Frage, sie haben hier oben auf 1.700 Metern vielmehr den Kampf gegen die Folgen des Klimawandels aufgenommen. Die Ernte läuft dieses Jahr ganz gut für sie. "Ich habe mein Leben lang vom Kaffee gelebt, sagt Kaffeebauer Uriel Chiquito."Ich habe nicht viel Geld, aber ich konnte eine Familie gründen und mit Hilfe des Kaffees voranbringen." Uriel, seine Familie und Nachbarn haben sich Rat gesucht von einer Organisation, die vor allem aus Holland finanziert wird. Mit ihrer Hilfe pflanzen sie ihre Kaffee-Bäume jetzt unter großen, schattigen Bäumen. Sie lassen Unkraut stehen, um den Boden kühl und feucht zu halten. "Wir müssen sofort handeln und die Böden festigen", sagt Hector Aricapa von der NGO "Solidaridad". "Bäume pflanzen, all das wird helfen, um gegen die Widrigkeiten zu bestehen. Wir können den Klimawandel nicht aufhalten, aber all das hilft, dass die Kaffeebauern länger durchhalten können."
Die Kaffeebauern in Kolumbien kämpfen um ihr Überleben, Uriel sagt, alleine könne er es nicht schaffen, mit allen Nachbarn zusammen vielleicht etwas erreichen. "Wir sehen das Ergebnis unseres schlechten Umgangs mit der Erde, die uns von Gott anvertraut wurde", sagt Kaffeebauer Uriel Chiquito. "Ich habe Enkel, jetzt sie sind noch klein, aber was werden sie in 15 Jahren machen, wenn wir jetzt nicht alles geben?" Zurück bei Claras Familie. Auch sie will vermehrt auf Schattenbäume setzen. Damit ihr Sohn James eine Zukunft hat, der gerne die Tradition seiner Vorfahren fortsetzen würde.
Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Mexiko
Stand: 11.04.2021 22:01 Uhr
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