So., 10.11.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Laos: Die Straßenretter von Vientiane
Laos gehört zu den ärmsten Ländern Südostasiens. Selbst für den Transport von Kranken in die Hospitäler der Hauptstadt Vientiane können die Behörden nicht sorgen. Viele, die im hektischen Verkehr der Hauptstadt bei einem Unfall verletzt werden, kommen gar nicht in die Ambulanz. Seit einiger Zeit kümmern sich freiwillige Helfer um den Transport von Kranken. Die Freiwilligen werden drei Monate lang zu Rettungshelfern ausgebildet. Fast 10.000 Verletzten haben sie im vergangenen Jahr geholfen.
Unfallrate extrem hoch
Rastlos rasen sie durch Vientiane. Wenn es Nacht wird in Laos' Hauptstadt, beginnt eine neue Schicht für die Freiwilligen von Vientiane Rescue. Phin, 23 Jahre alt, ist eine von ihnen. Tagsüber studiert sie Japanologie, nachts rettet sie Menschenleben. Der erste Einsatz heute: "Wir wissen noch nicht viel: Es ist ein Unfall. Der Patient blutet und ist anscheinend nicht bei Bewusstsein." Vientiane hat eine notorisch hohe Unfallrate. Sie ist viermal höher als in einer vergleichbaren Stadt in Deutschland. Nur geschätzt 20 Prozent aller Fahrer auf den Straßen haben überhaupt einen Führerschein. Dazu kommt an Wochenenden jede Menge Alkohol. Die Polizei ist oft weit und breit nicht zu sehen. Auch beim ersten Einsatz heute nicht. Ein Motorradunfall. Der Fahrer ohne Helm, aber dafür mit jeder Menge Alkohol im Blut. Gäbe es die freiwilligen Helfer wie Phin nicht, müsste der Mann jetzt darauf hoffen, dass ihn irgendein Passant ins Krankenhaus fährt. Bei schweren Verletzungen könnte das fatale Folgen haben. Einen staatlichen Rettungsdienst gibt es nicht. "Ich selbst habe den Motorrad-Unfall einer guten Freundin miterlebt. Sie ist noch vor Ort gestorben. Ich habe mich so verdammt hilflos gefühlt. Dieses Gefühl wollte ich nie wieder haben. Deswegen bin ich jetzt bei den Rettungshelfern", erzählt Phin.
Krankensystem nur unzureichend
Wie alle Freiwilligen hat Phin einen dreimonatigen Abendkurs als Rettungshelfer gemacht. Die meisten im Team sind Schüler oder Studenten. Mino ist 20 Jahre alt und seit drei Jahren dabei. Er kämpft sich durch den Verkehr. Oft versperren Autos den Rettern den Weg, sagt der Elektrotechnikstudent. Drei geparkte Krankenwagen stehen vor dem Hospital. Zwei sind Spenden aus Japan und einer von der Regierung, erklärt Vangnakhone Dittaphong, stellvertretender Direktor im Mittaphab Krankenhaus. Das Krankenhaus kann in der Regel nur Transfers von einer Klinik zur anderen leisten. Und das auch nur gegen Bezahlung. "Wir müssen den Krankentransport in Rechnung stellen, sonst haben wir kein Geld für das Benzin oder die Ausstattung", sagt Dittaphong. Wer es sich leisten kann, lässt sich ohnehin lieber im benachbarten Thailand behandeln, sagt der Arzt. Denn auch an Personal in der Notaufnahme mangelt es. Daher müssen hier alle Zwölf-Stunden-Schichten schieben. Vieles laufe leider nach dem Prinzip "Learning by doing – Lernen am Patienten", gibt Doktor Dittaphong zu. Und nur zwei Überwachungsmonitore in der Notaufnahme funktionieren überhaupt.
Helfen aus Überzeugung
Ein französischer Sanitäter hatte den Rettungs-Dienst vor mehr als zehn Jahren mithilfe von Spenden gegründet. Inzwischen läuft es auch ohne ihn, dank der 400 Freiwilligen in Vientiane. "Wenn ich nicht hier wäre, würde ich wahrscheinlich auch abends mit meinen Freunden feiern gehen und vermutlich viel zu viel trinken. Und vielleicht würde ich dann auch irgendwann da draußen auf der Straße liegen. Nein, dann lieber hier Abenteuer und Spaß. Und wir Freiwilligen sind wie eine große Familie", sagt Phin stolz. Es wird 4 Uhr morgens, bevor sie zum Schlafen kommt. Aber was sind schon ein paar Stunden Schlaf weniger, wenn man einer Mission mit Herzblut folgt?
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur
Stand: 11.11.2019 12:10 Uhr
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