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Malawi: Giftige Tabakernte

Malawi: Giftige Tabakernte | Bild: SWR

"Wir haben Gliederschmerzen und Kopfschmerzen und fühlen uns schnell sehr müde. Aber nur, wenn wir auf dem Tabakfeld arbeiten – also muss es irgendetwas mit dem Saft der Pflanze zu tun haben", sagt Goliyati Chibambo, Arbeiter auf einer Tabakfarm im Malawi. Er und seine ganze Familie kennen keine andere Arbeit als das Schuften in den Tabak-Plantagen.

Ohne Schutzkleidung, ohne Atemmaske. Chibambo leidet unter einer akuten Nikotinvergiftung. Wie viele seiner Kollegen. 70 Prozent seiner Exporteinnahmen erwirtschaftet das afrikanische Land über Tabak. Aber fast nirgends, so sagen Gewerkschaften, werden einfachste Schutzregeln eingehalten oder Arbeiter über die Gesundheitsrisiken aufgeklärt.

Ein Bericht von Thomas Denzel (ARD-Studio Johannesburg).

Der Tabak hilft uns zu überleben, sagt Goliyati Chibambo – er und seine ganze Familie arbeiten auf dieser Großfarm in Malawi: seine Nichte, seine Tochter und seine Frau. Sie alle bekommen keine Schutzkleidung – obwohl die Arbeit sie so krankmacht. "Wir haben Gliederschmerzen und Kopfschmerzen und fühlen uns schnell sehr müde", sagt der Erntehelfer Goliyati Chibambo. "Aber nur, wenn wir auf dem Tabakfeld arbeiten – also muss es irgendetwas mit dem Saft der Pflanze zu tun haben." 

Kinder auf Tabak-Plantage
Kinder sind besonders anfällig.  | Bild: SWR

Die meisten Arbeiter hier wissen nichts oder nicht viel über die Krankheit, an der sie leiden. Es ist schlicht eine Nikotinvergiftung – das Gift gelangt durch Hautkontakt in den Körper. Auch Kinder sind dabei wenn ihre Eltern hier arbeiten – dabei sind sie besonders anfällig. Auf manchen Plantagen müssen sie sogar mitarbeiten. Fast jeder hier in Kasungu lebt irgendwie auch vom Tabak. "Stadt der goldenen Blätter" nennen die Einheimischen Kasungu deshalb.

Tabak ernten macht krank

Im örtlichen Krankenhaus landen Menschen mit Nikotinvergiftung trotzdem nur selten. Denn meist verwechseln sie die Symptome mit denen von Malaria oder einer Grippe. Heute hat der Arzt einen Patienten, der über die Krankheit Bescheid weiß. Die meisten Menschen hier aber sind ahnungslos. Doch der Arzt warnt davor, die sogenannte "Grüne-Tabak-Krankheit" auf die leichte Schulter zu nehmen.

Arzt untersucht Patienten mit Stethoskop
"Wir hatten schon Fälle, die tödlich verlaufen sind", sagt der Arzt Arnold Mkandawire. | Bild: SWR

"Wir hatten schon Fälle, die tödlich verlaufen sind", sagt Arnold Mkandawire vom Kasungu District Hospital.  "Weil es auch zu starken Blutdruckschwankungen kommen kann. Die Farmer sollten sich mehr für diese Krankheit ihrer Arbeiter interessieren, denn sie schwächt auch die Leistungsfähigkeit – auf dem Feld und in anderen Lebensbereichen." Die Tabakernte macht krank – doch in Vorbeugung und Erforschung wie Nikotin über die Haut den Körper schwächt ist bisher nur wenig Geld investiert worden.

Schulung mit Comics

Dabei erwirtschaftet Malawi 70% seines Exports über den Tabak. Die Auktionen sind die größten weltweit. Tabak ist hier billiger als anderswo, auch weil die Löhne der Arbeiter so niedrig sind. Und ihre Arbeitsbedingungen sind dazu meist schlecht. Auch hier in den Auktionshallen tragen zwar manche eine Atemmaske – andere aber arbeiten ganz ohne Schutz. "Auch in den USA und anderswo arbeiten Tabak-Erntehelfer ohne Schutz", sagt Azfar Khan, Vertreter der Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen. "Es geschieht also nicht nur hier in Malawi, sondern weltweit – und wir wollen, dass das aufhört."

Auktionshalle für Tabak
Malawi erwirtschaftet 70% seines Exports mit Tabak.  | Bild: SWR

Auf manchen Farmen in Malawi werden die Farmer und ihre Arbeiter nun geschult – im richtigen Umgang mit Tabak. Die Schulung hier hat der Tabakgroßhändler Limbe Leaf organisiert. Er verteilt Comics zur Aufklärung an alle Farmen, die dem Händler Tabak liefern. Die Botschaft: Ernte nur mit Handschuhen und Plastikschürzen und möglichst nicht nach einem Regenschauer, wenn die Blätter nass sind. Wir versuchen zu überzeugen, sagt der Großhändler, doch anschaffen müssten die Farmer die Schutzkleidung selbst.

Ein Kontrolleur für 100 Farmen

Heute ist eine Managerin des Großhändlers auf der Farm. Wie sie uns sagt, würden ihre Vertrags-Farmen regelmäßig kontrolliert und auch das Thema Schutzkleidung werde dann angesprochen. "Das, was wir tun, sehen wir als unsere Pflicht an", sagt Febbie Chikungwa von Limbe Leaf Tobacco. "Aber es ist freiwillig, wir sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet. Wir haben eine Partnerschaft mit unseren Farmern und wollen, dass sie wissen worauf sie achten müssen." Doch wie wir auf Nachfrage erfahren, muss sich jeder Kontrolleur um rund 100 Farmen kümmern. So werde kein Druck auf die Farmer ausgeübt, heißt es bei der Gewerkschaft der Tabakarbeiter. "Das ist eine reine Showveranstaltung", meint Raphael Sandramu von der Tabakarbeiter-Gewerkschaft Malawi. "Wenn man unangemeldet hingeht, dann findet man auch auf diesen Farmen keine Schutzkleidung. Die Arbeitsbedingungen sind erbärmlich."

Arbeiter auf Tabakplantage
Auf manchen Farmen werden die Farmer und ihre Arbeiter nun im Umgang mit Tabak geschult.  | Bild: SWR

Das ist genau das was wir auf der Farm erleben, auf der wir heimlich drehen. Goliyati Chibambos Familie hat hier niemand aufgeklärt, der Farmer verteilt keine Schutzkleidung. Und die Arbeiter wissen nicht ob sich die Arbeit wirklich für sie lohnt – denn der Farmer wird erst nach der Ernte und je nach Verkaufspreis des Tabaks entscheiden wieviel er ihnen bezahlt. "Wir sind arm und brauchen das Geld", klagt der Erntehelfer Goliyati Chibambo. "Aber auf der Farm, auf der wir das letzte Mal gearbeitet haben, hat man uns am Ende gar nichts bezahlt. Deshalb arbeiten wir hier als Familie zusammen – damit wir uns gegenseitig helfen können, wenn wir wieder kein Geld bekommen." Er und seine Familie hoffen, dass sie diesmal fair behandelt werden. Sie hoffen auf 100 Euro Lohn für mehrere Wochen harte Arbeit. An Krankheit wollen sie lieber nicht denken.

Stand: 14.07.2019 16:20 Uhr

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