Sa., 16.06.18 | 04:20 Uhr
Das Erste
Mexiko: Schüsse im Urlaubsparadies
Urlaub ist, wenn man einfach gar nichts tun muss, außer abtauchen, genießen. "Du hast hier Geschichte, tolles Essen, tolle Menschen, tolles Meer", erzählt eine Touristin.
Tourismus-Boom in der mexikanischen Karibik
Der Tourismus boomt in der mexikanischen Karibik – und die Gewalt: Dieses Jahr im Februar explodiert Sprengstoff in einer Touristenfähre in Playa del Carmen: dutzende Verletzte. 2017: Ein Angriff auf eine populäre Disco – Touristen rennen um ihr Leben: Fünf Tote. "Hier wird geschossen". "Auch Cancun verschlechtert sich. Vielleicht nicht in der Hotelzone, aber in der Stadt. Die Regierung sollte viel mehr tun", sagt ein Tourist.
Die Polizei versichert: alles Einzelfälle. Und doch müssen das Paradies und seine Gäste offenbar geschützt werden.
"Die Hotelzone in Cancun ist sicher, schusssicher. Es gibt zwar Vorfälle in der Stadt, aber es trifft nicht die normalen Menschen oder Touristen, sondern nur Menschen, die mit Kriminellen zusammenarbeiten", erzählt Carlos Bustos, Direktor Touristenpolizei Cancun.
Keine paradiesische Fassade in Cancun
Tatsächlich? Nur wenige Kilometer vom Strand entfernt, in der Stadt Cancun, zerspringt die paradiesische Fassade, wird das Leben für die Mexikaner zur Hölle. "Schau mal, hier haben die Kugeln eingeschlagen", so Rey Gomez, Blaulicht-Journalist-Reporter Inspector Nocturno. Drei Tote vor einem Nachtclub. Was früher "breaking news" war sei heute Alltag. Rey Gomez berichtet mit seinem Handy live von Tatorten und kann mittlerweile davon Leben.
"Cancun war mal eine sehr ruhige Stadt. Man konnte entspannt mit offener Haustür schlafen. Jetzt gibt es zwei oder sechs Morde pro Tag. Es ist ein Kampf von Drogenkartellen, die ihre Kräfte messen: Wer ist der Blutrünstigste? Das Problem ist, dass sie ein touristisches Ziel zerstören", sagt Rey Gomez, Reporter Inspector Nocturno.
Wir werden Rey heute begleiten und es wird nicht lange bis zum ersten Einsatz dauern. Vor dem Mord kommt meist die Drohung. Wer einen Club besitzt, so wie Emilio, soll die Kartelle bezahlen. Trotz seiner Angst, erzählt er uns wie die Schutzgelderpressung läuft.
"Sie kommen und schießen auf dein Geschäft, danach melden sie sich und sagen: ich schicke dir jemanden, den du zahlst, wenn du nicht willst, dass das wieder passiert. Da kannst Du schlecht nein sagen. Du zahlst oder du schließt", berichtet der Barbesitzer Emilio.
Der Club hat kugelsichere Türen, bewaffnete Türsteher, seine Kunden sind Touristen. Die Hilfe der Polizei sei: null. "Wir haben dieses Cancun geschmiedet und so erfolgreich im Tourismus gemacht. Wir Geschäftsleute haben unseren Teil getan. Die Regierung nicht", so Emilio.
Polizei ist überwältigt von Welle der Gewalt
Es ist 19 Uhr als die erste Schießerei gemeldet wird. "Es gibt einen angeschossenen Mann in der Straße Kabah." Rey beginnt seine 'Live-Übertragung'. "Ich fahre los...Ich bin für diese Arbeit geboren. Es ist meine Leidenschaft." "Komm mit..." Angst? Nein. Er zeige ja nur was passiert. "Da liegt der Körper." Ein Barbesitzer ist erschossen worden. Hat er das Schutzgeld nicht gezahlt? Oder war er selbst Mitglied eines Kartells? Der Fall wird in der Regel nicht gelöst, meint Rey. "Der Abend beginnt erst und der Teufel ist bereits erwacht. Cancun erlebt eine Barbarei, die Welle der Gewalt ist außer Kontrolle und hat die Polizei längst überwältigt."
Kein Fall wird gelöst? Warum? Weil die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Regierung mit den Drogenbanden unter einer Decke stecken, sagt der Chefredakteur einer der größten Tageszeitungen hier.
"Es gibt kein organisiertes Verbrechen, wenn es nicht von der Regierung gestützt wird. Die Polizei ist korrupt...die Kartelle haben den gesamten Sicherheitsapparat durchdrungen. Du lässt dich bestechen oder du stirbst", sagt Renan Castro, Chefredakteur 'Por Esto!'.
"Jetzt gehört das alles hier der Mafia"
Die Regierung versuche die Berichterstattung zu unterdrücken, satt ihn zu schützen. Sechs Bodyguards hat der Chefredakteur, sein Büro wurde mit Granaten beschossen. Castro klagt dennoch an: Drogenschmuggel, Korruption, Tote. "Ich bin nicht empört, ich bin außer mir...Wir können doch nicht tatenlos zuschauen. Wir haben Cancun gegründet. Jetzt gehört das alles hier der Mafia. Die Regierung lügt, wenn sie sagt, es sind nur kleine Zellen, sie lügt! Wenn sich hier zwei Kartelle duellieren und ein Tourist stirbt: dann ist Schluss mit Cancun", so Renan Castro.
23 Uhr. In der Hotelzone nimmt die Stimmung gerade richtig Fahrt auf. Gut bewacht durch die Polizei: Sorgenfreie, unbeschwerte Freude für Touristen...Gleichzeitig blicken die Menschen in der Stadt auf Tote. Auf eine Gewalt, die immer wieder auch in die Hotelzone schwappt und droht alles zu zerstören, was sie aufgebaut haben.
"Wie Sie sehen sperrt die Polizei gerade das Gelände ab. Da! Schau dort! Beim Gehweg."
Rey ist am nächsten Tatort angekommen. Sieben Kugeln wurden in den Körper eines Mannes gefeuert. Er ist schwerverletzt. Es stimmt, Rey Gomez liebt das Adrenalin, aber seine Arbeit sei doch mehr als Tote zu zählen. Er zeige, was Polizei und Regierung versuchen kleinzureden.
"Ich mache weiter, jemand muss berichten was hier los ist", so Rey Gomez.
Bericht: Xenia Böttcher / ARD Studio Mexiko
Stand: 05.08.2019 03:50 Uhr
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