So., 04.12.16 | 19:20 Uhr
Das Erste
Schnappschuss: Riesenräder in Myanmar
Blicke kreisen durch die Nacht. Chinatown Yangon. Staunende Menschen: Was ist hier denn los? Beine, Arme, Körper fliegen durch die Luft. Ein Riesenrad dreht durch. Sind die denn alle lebensmüde? Bisschen rostig, in sich schief und wackelig. Bitte einsteigen: ins menschliche Riesenrad. In jede Gondel passen vier Fahrgäste. Und vier müssen auch rein. Sonst gerät alles außer Balance – wenn diese Jungs gleich Hand anlegen.
"Was wir machen, bringt dir niemand bei. Das musst du selber lernen. Am Anfang habe ich mir in die Hose gemacht. Aber jetzt habe ich keine Angst mehr", erzählt Wai Hin Thet, von Beruf Schwungholer. Hochkraxeln bis die Skyline von Yangon zu sehen ist, Schwung holen, abspringen. Los geht das Vergnügen. Nach fünf Runden: Trillerpfeife. Jetzt ist Timing gefragt: aufspringen, abbremsen, fallenlassen. Tarzan – kommt aus Myanmar.
"Besonders sicher ist das glaube ich nicht. Aber jedes Mal, wenn ich hier bin, will ich auch eine Runde mitfahren", sagt ein Besucher. "Da oben fühlt sich dein Körper an wie eine leere Hülle. Leicht und schwerelos", schildern Fahrgäste. "Einmal im Jahr gucke ich mir das an. Und es ist immer schön, fröhliche Menschen zu sehen", erzählt ein Besucher. Aber selber mitfahren? "Nooooo!!", antwortet er.
Die Mittelschicht im Aufwind
Viele wollen heute Abend eine Runde drehen. Immer mehr in Myanmar können sich den Spaß auch leisten. Die Mittelschicht ist im Aufwind. Aber Myanmar ist noch immer ein Land der Muskelkraft. Auch beim Nachbarn – alles echte Handarbeit. "Es ist doch viel besser Menschen und Muskeln zu benutzen als eine schwere Maschine. Ich kann das Ding in einer Nacht auf- und abbauen. Und viel schneller zum nächsten Jahrmarkt reisen", sagt der Riesenrad-Besitzer U Myat Khine. "Außerdem gebe ich den jungen Leuten Arbeit." 100.000 Kyat, 70 Euro verdienen die Jungs im Monat. Ein Lohn über dem Durchschnitt.
Wieder eine Runde. Diesmal mit Fahrgästen, die sich auskennen bei Dreharbeiten. Mein Kameramann und ich. Zehn Jungs bringen das Rad in Schwung. Einige noch ziemlich jung, vielleicht 15 oder jünger. Super durchtrainiert, Athleten in Flipflops. Passiert sei hier übrigens noch nie irgendwas. "An einen schweren Unfall kann ich mich nicht erinnern. Das Schlimmste ist vielleicht mal ein gebrochener Arm", sagt Wai Hin. So dreht und dreht es sich – Myanmars Riesenrad aus Menschenhand. Knochenbrechend, magendrehend, atemberaubend.
ARD Studio Singapur /Autor: Philipp Abresch
Stand: 05.12.2016 11:56 Uhr
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