Mo., 31.08.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Namibia: Der Tag der Herero
Vor über 100 Jahren massakrierten deutsche Soldaten 85.000 Menschen in Deutsch-Südwestafrika. Zum ersten Mal sprach vor kurzem die Bundesregierung aus, was es war: "Völkermord". Worte, die die Nachfahren der Herero immer wieder gefordert haben. Alljährlich gedenken die Herero der Niederschlagung ihres Aufstandes gegen die deutschen Kolonialherren. Eine Reportage von Ulli Neuhoff, ARD Johannesburg.
Ein paar Meter laufen sie, dann verharrt der Tross in gebückter Haltung. Die höchste Form der Ehrerbietung, die die Herero ihren Vorfahren entgegen bringen. Mit militärischen Ehren, denn hier in Okahandja liegen die Helden der Herero-Nation. Sie starben während des Aufstands gegen die deutschen Kolonialtruppen.
Vor hundert Jahren wurden keine Gefangenen gemacht
"Deutsche und Herero habe Geschichte miteinander geteilt", meint Ismael Vijanda Tjikurame. "Und hier zeigt es sich. Ohne diese Gräber würde keiner verstehen und wir würden vergessen, dass es einst so war." Ein Friedhof zwei Nationen. Verbunden durch eine blutige Vergangenheit. Ranghohe Vertreter der Bundesrepublik nennen es jetzt Völkermord.Herero und Deutsche aufs Grausamste verbunden im Tod. Als Lothar von Trotha im Namen des deutschen Kaisers den Herero-Aufstand niederschlug, machte er keine Gefangene. Trieb ein ganzes Volk in die Wüste. Von 80.000 Herero überlebten am Ende nur 15.000.
Ismael ist ein moderner Herero. Lehrer ist er und verbringt die meiste Zeit in der Stadt. Aber seine Wurzeln sind hier auf dem Land. Als die Deutschen damals auf die Herero trafen, waren beide voneinander beeindruckt. Zwei stolze Völker. Ismael hält auch diesen Teil seiner Geschichte in Ehren. Wenn er sich fertig macht für den Herero-Tag und die Uniform anlegt, mit schottischen und deutschen Elementen. "Das haben wir von den Deutschen. Als wir den 1904-Krieg kämpften, nahmen wir die Uniform und die Dienstgrade, kopierten deren Stil."
Die endgültige Aussöhnung steht noch aus
Eine Geschichte, die zwei Völker auch nach mehr als hundert Jahren miteinander verbindet. Die endgültige Aussöhnung steht aber immer noch aus, meint Ismael. "In unseren Adern fließt dasselbe Blut. Von der Seite meiner Mutter bin ich ein von Franke, die väterliche Seite ist Tjikurame. Die Verbindung reicht von damals bis in den heutigen Tag." Letztlich gehe es um eine finanzielle Entschädigung. Dass Deutschland jetzt das Massaker an seinem Volk "Völkermord" nennt, könne nur ein erster Schritt sein.
Es war ein längst überfälliger Schritt für die deutsche Politik. Hier findet das nur geringen Nachhall. Sie gedenken ihrer Toten und leben ihre Kultur wie in jedem Jahr. Das Wasserspucken durch den Ältesten segnet die Menschen und die Veranstaltung. Und da ist sie dann wieder diese Verbindung zwischen der tradierten Kultur und den Einflüssen der Kolonialherren. Die Uniformen und die Kleider. Kopien von dem, was damals beim ersten Zusammentreffen am meisten beeindruckte.
"Wir hatten einmal Land und Vieh", klagt eine Frau. "Das wurde uns genommen. Deshalb wünschen wir, dass uns dafür etwas gegeben wird. Damit wir Land zurückkaufen können, das uns genommen wurde. Ich habe nichts, gar nichts." Eine finanzielle Entschädigung, darauf warten sie immer noch. Letztlich wäre nur das eine angemessen Würdigung für das was ihren Ahnen widerfuhr. Dass Deutschland es endlich Völkermord nennt, lässt sie immerhin hoffen.
Stand: 09.07.2019 06:22 Uhr
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