So., 04.01.15 | 19:30 Uhr
Das Erste
Afghanistan: Ein bisschen Frieden – Vergnügungspark in Kabul
Der Krieg macht Pause, auf einmal ist Frieden - mitten in einem Vergnügunspark in Kabul. Die Menschen wollen fröhlich sein - wenn auch nur für einen kurzen Moment. Das ist schon viel. Parwaz darf hier Kind sein. Normalerweise muss der Zwölfjährige arbeiten. "Ich lief oft vorbei. Und ich wollte unbedingt hierher. Dann habe ich meinen Chef gefragt. Er hat es mir erlaubt. Auch meine Mutter hatte nichts dagegen", erzählt der Junge.
Bis zu 12.000 Besucher täglich
Der Freizeitpark ist winzig. Das Riesenrad scheint kaum in Schwung zu kommen. Aber die Leute lieben den Park. Bis zu 12.000 Besucher kommen täglich. 30 Afghani, etwa 40 Cent, kostet der Eintritt. Parwaz ist allein hier. Er sprach uns an, weil er neugierig war. Für den Eintritt hat er lange gespart. Ein Tagesverdienst ist schnell ausgegeben. Er arbeitet in einer Reinigung. Der Junge sagt, dass er auch zur Schule geht. Sein Vater lebt nicht mehr. Deswegen muss auch Parwaz Geld verdienen, sonst reicht es zu Hause nicht.
Oft fällt die Kindheit in Afghanistan aus. Parwaz wirkt erwachsen. Er hat mehr gesehen als er vielleicht sollte: "Einmal habe ich eine Explosion erlebt. Nicht weit von uns. An der Moschee. Meine Eltern haben mir verboten, dorthin zu gehen. Ich habe immer noch Angst, wenn ich da vorbei laufe."
"Wir haben Angst"
Er ist nicht allein mit der Angst. Latafa Anwary geht es ganz ähnlich. Jeden Tag hofft sie, dass nichts passiert: "Wir haben Angst. Es ist noch nicht lange her, da sprengte sich ein Mann in die Luft - keine 50 Meter vom Park entfernt. Es war schlimm. Die Leute sind sofort gegangen. Ich möchte nicht, dass so etwas immer wieder passiert."
Latafas Schmink-Bude steht direkt am Eingang. Dort wird jeder Gast kontrolliert. Kinder, die sich schminken lassen, brauchen Polizeischutz mit Kalaschnikow. "Mir ist total klar, was den Kindern auf der Seele lastet. All die Explosionen, die Selbstmordattentäter. Aber wenn sie hier herkommen, wenn ich sehe, wie die Kinder das genießen. Ich hoffe, dass wir eines Tages Frieden haben", sagt Latafa.
Afghanen lassen sich nicht abschrecken
Die Afghanen lassen sich nicht abschrecken. Sie blenden die Gefahr aus - wie fast immer und überall. Sie brauchen Mut, auch wenn sie einfach nur einen schönen Nachmittag verbringen wollen. "Ich möchte zur Schule gehen und ich möchte studieren. Ich möchte Arzt werden und meine Familie ernähren", beschreibt Parwaz seine Träume.
Aber der Krieg lässt sich nur für eine Stunde verdrängen. Dann muss Parwaz wieder erwachsen sein.
Autor: Gábor Halász, ARD-Studio Neu Delhi
Stand: 04.03.2015 11:22 Uhr
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