So., 10.08.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Uganda: Strenge Sitten – Konservative bekämpfen den Mini-Rock
Gerade erst hat Ugandas Verfassungsgericht das international kritisierte "Gesetz gegen Homosexuelle" gekippt, da sorgen die konservativen Parlamentarier im Land schon wieder für weltweite Empörung: Ein neues Sittengesetz trifft jetzt vor allem junge Frauen. Es geht um den Mini-Rock. Bewaffnete Polizisten stürmen Nachtklubs, und reicht der Rock nicht übers Knie, werden die Frauen auch mal in Handschellen gelegt und mitgenommen. Der Vorwurf: unangemessenes, anzügliches Verhalten.
Die konservativ-religiöse Machtelite erlässt derzeit zahlreiche Gesetze, um den vermeintlichen "Sittenverfall" im Lande einzudämmen. Doch das Mini-Rock-Verbot steht im harten Kontrast zu einer neuen Generation von jungen Frauen in Uganda: Single und kinderlos, mit eigenem Job und neuem Selbstbewusstsein - und nicht gewillt, sich das gefallen zu lassen.
Polizei greift hart durch
Nach dem neuen Anti-Pornografie-Gesetz machen sich Frauen, die sich nicht "angemessen" kleiden, strafbar. Ruth war eines der ersten Opfer des neuen Gesetzes. Sie ist 19 Jahre alt und geht gerne aus. Am Tag, als das Gesetz beschlossen wird, ist Ruth mit Freunden in der Disco. Plötzlich kommen Polizisten und schlagen auf sie ein. "Sie haben mich im Auto unter den Sitz gequetscht. Die Polizisten haben mich getreten. Dann haben sie uns ins Gefängnis gebracht. Sie haben noch andere eingesammelt. Wir waren viele", erzählt sie. Und das nur weil Ruth ein Kleid anhatte, das den Polizisten zu kurz war. Drei Tage musste sie in der Zelle ausharren. Verängstigt ist sie jetzt und verunsichert. Ihre kurzen Röcke hat sie erst mal aussortiert.
Auf Nachfrage beim Polizeisprecher, ab wann ein Rock nicht "angemessen" ist, gesteht er: Die Definition von angemessener Kleidung müsse wohl genauer festgelegt werden. Außerdem hätten einige seiner Kollegen das Gesetz missverstanden.
Facebook-Petition gegen das Gesetz
Auf die Polizei als Freund und Helfer sei kein Verlass, findet Patience Akumu. Deshalb kümmert sich die angehende Anwältin selbst um Frauen wie Ruth. Seit das neue Gesetz in Kraft getreten ist, dokumentiert sie Fälle von Belästigungen. Und veröffentlicht sie auf ihrer Facebook Seite.
Patience gehört zu einer neuen Generation von starken jungen Frauen. Mit eigenem Job und eigenem Kopf. Sie hat über Facebook eine Petition gegen das Gesetz gestartet. 7.000 Stimmen haben sie schon. Sie will dafür kämpfen, dass Uganda nicht um 100 Jahre zurückgeworfen wird.
Kirchen üben Einfluss auf die Politik aus
Hinter dem konservativen Kurs in Uganda stehen radikale Christen, Pfingst- und Heilskirchen. Von amerikanischen Missionaren finanziert, haben sie enormen Zulauf. Auch weil sie Schulen und Kliniken finanzieren. Da wo es sonst nichts gibt. Viele junge Menschen, ohne Arbeit und Perspektive, suchen hier nach Orientierung. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung ist mittlerweile Mitglied dieser Gemeinden.
Die Prediger haben rigide Moralvorstellungen. Ihr Sündenkatalog ist lang. Sie stecken hinter der Idee, Homosexualität mit der Todesstrafe zu ahnden. Und was sie predigen - das wird in Uganda immer häufiger zum Gesetz. Die Pfingstkirchen in Uganda haben Geld, Macht und Einfluss - viel Einfluss. Auf eine große Zahl von potenziellen Wählern und damit auf Politiker, die gewählt werden wollen.
Ein harter Kampf um Selbstbestimmung
Gegen sie wirken Patience und ihre Mitstreiterinnen bescheiden. Aber sie müssten die hart erkämpften Menschenrechte verteidigen, sagen sie. Sich gegen die immer konservativeren Strömungen auflehnen. Mutig - denn nicht selten reagieren die Männer aggressiv. Aber es gehe schließlich nicht um ein bisschen Rock. Sondern um die Zukunft ihrer Kinder.
Autorin: Shafagh Laghai, ARD-Studio Nairobi.
Stand: 13.08.2014 09:07 Uhr
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