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Polen: Rechtsruck in der Bevölkerung?

Polen: Rechtsruck in der Bevölkerung? | Bild: ARD

Kulesze Koscielne ist eine kleine ländliche Gemeinde östlich von Polens Hauptstadt Warschau, fast schon EU-Außengrenze. Weißrussland ist nicht weit, der Westen hingegen schon. Der Bezirksausschuss entscheidet über Bildungsprojekte. Für den Bezirkschef Bogdan Zielinski ist das nicht anstrengend, es geht meistens schnell. Die national-konservative Partie PIS (zu deutsch "Recht und Gerechtigkeit") hat hier eine satte Mehrheit. "Es ist wirklich einfacher, wenn man die Mehrheit hat, und noch viel einfacher wenn es gar keine Opposition gibt. Ich bin so ein Glückspilz", sagt Zielinski.

 Bogdan Zielinski
"Ich bin so ein Glückspilz" - PIS-Politiker Bogdan Zielinski hat in seinem Bezirk keine politische Konkurrenz. | Bild: NDR

Die Kirche fällt auf, monumental für solch einen kleinen Ort. Ein kleiner Trecker vor der schicken neuen Villa – der Umbruch nach der Wende brachte viel durcheinander. Da ging auch Geborgenheit verloren, da ist die Sehnsucht nach nationaler Identität gewachsen.
Fast alle hier haben Kinder oder Enkel im Ausland. Die Heimatregion bietet einfach nicht genug Jobs. Auch deshalb ist die Enttäuschung über die europäische Union groß. Es ist wenig zu merken vom Aufschwung. Es herrscht das Gefühl, abgehängt zu sein, hier kommt vieles zusammen. Die PIS ist hier auf dem Land nicht nur eine Partei, sie ist ein Lebensgefühl.

"Polen kann nur katholisch sein"

Kacper Kociszewski
"Wir wollen, daß Polen keinen einzigen Flüchtling aufnimmt", sagt Student Kacper Kociszewski. | Bild: NDR

Ortwechsel: Am Rand vom Warschau findet eine kleine Demo statt. Kacper Kociszewski ist die PIS nicht rechts genug,  er ist Mitglied bei der Allpolnischen Jugend, einer rechtsextremistischen Organisation. "Wir wollen, daß Polen keinen einzigen Flüchtling aufnimmt. Wir möchten hier keine Emigranten. Polen ist nicht islamisch,  Polen kann nur katholisch sein", sagt er. Der Jurastudent soll den Schülern seiner ehemaligen Schule etwas von seinem Leben an der Universität erzählen.
Warum hier gefilmt wird will erstmal eine Schülerin wissen. "Die machen eine Reportage über das Thema, warum die Rechte immer populärer wird bei den jungen Menschen und ich bin da das Beispiel", klärt Kacper Kociszewski auf. Für Irritationen sorgt das nicht, viele denken so wie er, rechts sein ist auch gerade ziemlich angesagt: "Für mich ist es ganz einfach die hippste Art und Weise sich als Jugend dem Establishment zu widersetzen. Und linksradikal ist uncool", sagt ein Schüler. Ein anderer: "Die junge Generation ist sehr enttäuscht. Wir wurden bei der Wende verraten, wir sind nicht zufrieden mit dem heute, wir suchen nun unsere Vorbilder in der polnischen Geschichte."

 Kampf für eine nationale Identität

Gedenkstätte für kommunistische Kämpfer.
Männer, die nach dem Krieg gegen die Kommunisten kämpften und erschossen wurden, wird gedacht. | Bild: NDR

Wenn Kacper Kociszewski nicht gerade studiert, dann vertieft er sich in Bücher, vorzugsweise über mutige polnische Freiheitskämpfer. In dieser Gedankenwelt fühlt er sich wohl. Für Menschen wie ihn ist eine neue Gedenkstätte sehr wichtig. Errichtet für Männer, die nach dem Krieg gegen die Kommunisten kämpften und erschossen wurden. Ihr Schicksal wurde lange totgeschwiegen. An dieser Gedenkstätte ist er immer gerührt, wie er zünden viele junge Menschen Kerzen an: "Ich spüre Stolz, dass ich einer Nation angehöre in deren Geschichte es sehr viele Helden gab, die dafür kämpften, dass wir würdig in einem freien Polen leben können. Und wir wollen nicht, dass die nationale Identität verloren geht in so einem riesigen europäischen Superstaat."

"EU ja, aber nicht auf Knien"

Zurück auf dem Land: Bezirkschef Bogdan Zielinski ist sehr gern PIS-Mitglied. Das gute Wahlergebnis ist für ihn noch immer unglaublich. Dabei klagen er und seine Parteifreunde über viel Gegenwind – auch aus dem Westen: "Die Presse gehört ausländischem Kapital, vor allem Deutschen. Und auf welcher Seite stehen die? Jedenfalls nicht auf der Seite der PIS. Wenn wir Politiker hier mit den Einwohnern über die EU sprechen, dann sind die Reaktionen immer ähnlich, EU ja, aber nicht auf Knien."
 
 In ihrer Überzeugung bleiben sie fest: "Wo Gott ist, ist Polen. Ohne Gott geht es nicht, darum hat die PIS gewonnen."
Eine Partei als Maß aller Dinge? Über Recht und Gesetz? Hier scheint es so. Und am Rand von Warschau klebt Kacper Plakate für eine Anti-EU-Demo. Damals Moskau und heute Brüssel, das Misstrauen sitzt tief.

Autorin: Griet von Petersdorff, ARD-Studio Warschau

Stand: 03.08.2019 14:11 Uhr

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