Mo., 24.08.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Die verkauften Mädchen
Poonan war 11 Jahre alt als sie an ein Bordell nach Mumbai verkauft wurde. Der Mann, der sie kaufte, hätte ihr Großvater sein können – nicht einmal Zähne hatte er. Die Mädchen mussten sich in einer Reihe aufstellen. Poonan ging mit dem Mann in einen Raum. Da war ein Bett und ein Vorhang.
Fast 500 Mädchen und Jungen verkauft und missbraucht
40 Männer waren es an einem Tag. Wenn sich das Mädchen wehrte, rissen sie ihr die Haare aus, zerdrückten Zigaretten auf ihrem Arm. Das ging ein Jahr lang so, vielleicht zwei – Poonan weiß es nicht. Dann wurde sie von der Polizei befreit. Inzwischen ist Poonam 19 und lebt bei einer Hilfsorganisation in einem Wohnheim in Kathmandu. Ihre Mutter ist tot. Den Vater will sie nicht wieder sehen. Sie will vergessen. Vergessen wollen sie wohl alle.
Die Hilfsorganisation MAITI versucht die Kinder zu retten und kämpft gegen die Menschenhändler. Mitarbeiterinnen der Organisation suchen 70 Kilometer vor der indischen Grenze nach verschleppten Mädchen. Nach dem Erdbeben sind sie ganz besonders wachsam. Denn in der Not sind Familien eher gezwungen, ihre Töchter ins Ausland zu schicken.
Warum es Menschenhändler leicht haben
650 Mädchen konnten die Frauen von Maiti seit dem Erdbeben in ganz Nepal retten. Die Mädchen kommen aus den Gebieten, die am schlimmsten verwüstet worden sind. Die Leute leben dort in Holzhütten, teilweise 130 unter einem Dach. Vor ein paar Wochen hat die Hilfsorganisation gleich neun Mädchen aufgegriffen, alle aus demselben Dorf. Auch sie leben jetzt im Wohnheim in Kathmandu. Noch begreifen sie nicht, was ihnen erspart geblieben ist.
Aaiti ist 16 Jahre alt. Ein Onkel hatte sie überredet, ihr Dorf zu verlassen. Er hatte ihr einen Job in Dubai versprochen. Sie dachte, es sei normal, dass die Leute in Ausland gehen. Sie wollte ihrer Familie helfen, Geld nach Hause schicken. Dass sie verkauft wurde, war ihr nicht klar.
Eltern haben oft keine Ahnung
Das Dorf in dem Aaitas Familie lebt liegt mitten im Erdbebengebiet in den Bergen. Ihr Haus wurde vollständig zerstört. Der Vater ist Bauer. Als seine Tochter ins Ausland wollte, hat er sich nichts Böses dabei gedacht. Denn auch seine Frau arbeitet im Ausland – als Haushälterin in Kuwait. Fünf Kinder müssen sie ernähren.
Die Grenze zu Indien ist offen, es gibt keine Passkontrollen. Dass Mädchen verschleppt werden, ist nicht neu. Alles auf das Erdbeben zu schieben, wäre falsch. Nepal ist bitterarm und die Frauen wenig wert. Poonam erzählt deswegen ihre Geschichte. Weil sie will, dass sie anderen erspart bleibt. Ob sie je einen Mann lieben und ihm vertrauen kann, kann Poonam kann nicht sagen. Aber eines weiß sie: Sie will nicht mehr schweigen.
Autor: Gábor Halász/ARD Neu Delhi
Stand: 09.07.2019 05:05 Uhr
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