So., 22.03.20 | 19:20 Uhr
HR Fernsehen
Russland: Im LKW auf der Eisstraße
Der Winter hat Jakutien fest im Griff. Temperaturen bis zu minus 60 Grad. LKW-Fahrer Alban Modun muss Waren transportieren – über eine Eisstraße. Am Morgen rast er zum Verladepunkt.
Mit wenig Schlaf 25 Tonnen Mehl transportieren
„Wie viele Stunden hast du geschlafen“, fragt der Reporter. „Anderthalb Stunden. Das ist wenig. Aber, was will man schon machen? Fahren kann ich auch so“, erzählt Alban Modun, LKW-Fahrer. Sein Schwager und er haben bis halb fünf morgens den LKW repariert. Immer ist irgendwas kaputt. Alban soll Mehl über die gefährliche Winterstraße transportieren. Das Mehl kam per Zug. Doch die Bretter sind festgefroren. 25 Tonnen laden sie ihm auf. Fünf mehr als für seinen LKW erlaubt.
„Wenn du 25 Tonnen nicht nimmst, sagen sie: Auf Wiedersehen. Gibt auch andere Fahrer“, so Alban Modun, LKW-Fahrer.
Mit Übergewicht in Richtung der lebensgefährlichen Winterstraße. Sechs Tage wird die Fahrt dauern. 1500 Kilometer. Am Anfang durch ein menschenleeres Gebirge – die erste große Bewährungsprobe für Albans LKW.
„Hier ist das Wichtigste: Du darfst nicht rasen. Wenn du einen Fehler machst, dann bist du tot“, sagt Alban Modun, LKW-Fahrer.
Doch Alban ist unter Zeitdruck. Plötzlich ertönt ein Alarm in seinem LKW – an einem Abhang vor einer Kurve.
„Die Bremsschläuche sind undicht. Müssen wir reparieren. Das ist sehr schlecht, sonst fahren wir gleich ohne Bremsen“, so Alban Modun, LKW-Fahrer.
Gefährliche Fahrten auf Eisstraßen
Dann reagieren die Bremsen auf einmal gar nicht mehr – mit der Handbremse kann Alban den LKW gerade noch zum Stehen bringen. Das nächste Problem: Die Holzklötze halten dem Gewicht des LKW auf dem glatten Untergrund nicht stand. Er rutscht erst einmal immer weiter. Dann endlich steht der LKW. Jetzt muss Alban erstmal die Bremsen reparieren. Und Bremsschläuche austauschen.
„Dieser Schlauch geht ständig kaputt. Von der Kälte. Er hält ihr einfach nicht stand“, erzählt Alban Modun, LKW-Fahrer. Ein neuer Schlauch muss her – und das Ende muss Alban irgendwie weich kriegen. Dann einbauen – und nach etwa einer Stunde geht die Fahrt durch die Kälte weiter.
Das Eis des Flusses Tompo. Dick genug, um jetzt den schweren LKW von Alban zu tragen. Mehrere Hundert Kilometer fährt er über den Fluss. Gefahren lauern bei sogenanntem Aufeis, wenn Wasser durch die Eisdecke nach oben drückt. Man kann einbrechen.
„Einmal sind wir in Aufeis reingefahren. Das Wasser stand bis zur Windschutzscheibe. Ich dachte, der ganze Motor steht schon unter Wasser. Alles war hier rot und die Batterie durchgebrannt. Der Motor war nicht mehr zu hören“, so Alban Modun, LKW-Fahrer.
Auch in Jakutien spürt man den Klimawandel
Alban hat es mit dem LKW kaum rausgeschafft. Die Spuren sind noch heute zu sehen. So schön winterlich das Eis aussieht – auch in Jakutien spürt man den Klimawandel. „Früher konnten wir am 1. und 2. Mai noch losfahren und sind gut angekommen. Jetzt geht das nicht mehr. Anfang Mai ist überall schon Wasser. Die Arbeit ist dadurch weniger geworden. Du schaffst einfach nicht mehr so viele Fahrten“, so Alban Modun, LKW-Fahrer. Etwa 2.000 Euro nimmt Alban mit einer Fahrt ein. Davon muss er auch alle Ersatzteile bezahlen.
Auf der Eisstraße ist plötzlich Stau. Ein LKW ist liegen geblieben, seine Heizung ausgefallen. Zum Glück ist er mit anderen Lastern gemeinsam gefahren. Seine Kollegen helfen schon, den Generator zu reparieren. Sonst wäre das schnell lebensgefährlich.
Anderer LKW-Fahrer: „Draußen sind es minus 54 bis minus 55 Grad. Sehen Sie, der Reifen hier ist hart wie Eisen.“
Alban und die anderen Fahrer haben ihre LKW speziell winterfest gemacht. Überall Planen, die die Kabine und den Motor schützen. Und auch drinnen: spezielle Isolierung.
„Ohne das Risiko kann ich schon nicht mehr leben“
„Es ist alles doppelt hier: Die Seitenscheiben, die Windschutzscheibe. Wenn dir der Motor absäuft bei minus 50 oder minus 60 Grad, hast du maximal eine Stunde Zeit, um alles hinzukriegen und den Motor wieder zu starten“, so Alban Modun, LKW-Fahrer. Sonst friert der LKW ein – so wie dieser hier. Damit die Laster überhaupt fahren können, machen Arbeiter die Straße jeden Winter neu. Im Sommer sind hier Sümpfe oder Flüsse – höchstens mit einem Panzer käme man da durch.
Die Gefahren sind ständig präsent. Alban hat auf der Winterstraße einmal seinen Anhänger verloren. So wie dieser hier lag der dann im Graben. Doch Alban liebt seinen Job.
„Ohne das Risiko kann ich schon nicht mehr leben. Meine Frau schimpft ständig, dass ich zu Hause nicht still sitzen kann. Aber ich hör einfach nicht auf sie“, sagt Alban Modun, LKW-Fahrer.
Nach sechs Tagen liefert Alban das Mehl erfolgreich ab – auf der Fahrt hat er aber immer auch ein Auge für den wunderschönen jakutischen Winter.
Autor: Demian von Osten/ARD Studio Moskau
Stand: 22.03.2020 20:34 Uhr
Kommentare