So., 25.06.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Russland: Machtkampf beendet – und jetzt?
Sie will noch ein Foto, bevor die Wagner-Söldner gleich wieder weg sind – aus Rostow am Don. Noch in der Nacht ziehen die Kämpfer aus der südrussischen Stadt ab, die sie wenige Stunden zuvor ohne großen Widerstand eingenommen hatten. "Nicht aufgeben!", schreit er. "Wagner, Wagner", skandieren die anderen. Vorwürfe hört die Truppe, die den Aufstand gegen Putin gewagt hat, hier offenbar keine: "Wir beten und denken an die Kämpfer, dass ihnen nichts passiert."
Am größten wird der Jubel, als der Chef der Wagnertruppe selbst, Evgenii Prigoschin, vorfährt. Noch ein Selfie mit dem Mann, der Russland jetzt wegen versuchten Aufstands sofort verlassen muss. Er soll nach Belarus übersiedeln. Die Leuchtbuchstaben, die am Stadion von Rostow am Don extra eingeblendet werden, wirken in dieser Nacht wie eine Mahnung an die Jubelnden: Wir glauben an das russische Volk und unseren Präsidenten.
Rund 1.000 Kilometer entfernt in der Hauptstadt Moskau ist die Anti-Terror-Warnung auch heute noch in Kraft, obwohl kein Einmarsch der Söldnertruppen mehr droht. Bei Sonnenschein wirken viele Moskauer:innen entspannt. Die Ereignisse haben gestern natürlich alle verfolgt, aber von Angst will kaum einer sprechen: "In Russland ist grundsätzlich nichts beängstigend, ein ruhiges Land, wohl der sicherste Ort." "Wissen Sie, ich habe mir keine Sorgen gemacht, und die sind ja auch nicht hergekommen. Ich interessiere mich nicht für Politik." "Als normale Bürgerin war ich schon ängstlich, aber vertraue unserer Regierung, ihrer Stärke und ihre Fähigkeiten, deshalb war ich sicher, dass alles gut wird."
Der Wagner-Chef und sein Aufstand sind noch Thema in den TV-Nachrichten. Aber Sondersendungen, so wie gestern, gibt es heute nicht mehr. Mit dem Deal, der Prigoschin und seinen Kämpfern Straffreiheit zusichert, will man in Russland zur Normalität zurückkehren.
Autorin: Judith Schacht
Stand: 25.06.2023 22:20 Uhr
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