So., 27.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Zentralafrika: Russische Präsenz mithilfe zweifelhafter Söldner
Russland schickt Söldner in die Zentralafrikanische Republik
Bangui, la Coquette – die Kokette. Den Beinamen trägt die Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik noch aus den Zeiten der französischen Kolonialherren. Seit vielen Jahren ist der Name nur blanker Zynismus: Immer neue Bürgerkriege, immer mehr Tote und Vertriebene. Frankreich, die EU und UN-Truppen änderten daran nichts.
2017 wandte sich der Präsident an Russland – der Seitenwechsel. Moskau schickte schnell Waffen und Militärausbilder, die sich als Söldner entpuppten. Sie halfen kürzlich, einen gewaltsamen Sturz der Regierung zu verhindern. Das russische Fernsehen zeigt die Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe als Menschenfreunde, die Nahrungsmittelkonvois sichern oder Freundschaft mit der Bevölkerung schließen.
Diese Frau hat das anders erlebt. Sie gehört der muslimischen Minderheit im Norden an, vor allem von hier kommen die Rebellen. Sie fürchtet um ihre eigene Sicherheit – ihren Mann hat sie schon verloren: "Während eines Viehmarktes haben sie ihn ermordet. Nach den Zeugenaussagen wurden seine Mörder von den Russen begleitet. Eines meiner Kinder wurde von den Russen gefangengenommen. Ich habe mehr als elf Monate bei dem Versuch gelitten, ihn zu befreien. Ich habe die muslimischen Brüder geben, bei der Befreiung zu helfen. Sie haben dann [umgerechnet 600 Euro] bezahlt, damit er rauskommt."
Entführungen, Plünderungen, Übergriffe
Lösegeld gegen Freilassung – neuerdings müssen sich die russischen Söldner anscheinend selbst finanzieren. Der zentralafrikanischen Regierung ist das Geld ausgegangen. Auch, weil die EU ihre Hilfsgelder eingefroren hat. Zwar lässt die zentralafrikanische Regierung Russland einige Goldvorkommen ausbeuten. Doch die scheinen nicht genug abzuwerfen, um die Söldner zu bezahlen. Die Folge: Wagner soll über Monate kein Geld bekommen haben.
Die Söldner sind also auf sich gestellt und führen ihr blutiges Handwerk aus: sie brandschatzen und verhindern mit ihren Waffen, dass Edelmetall in die Hände der Rebellen gelangt – denn auch die finanzieren ihren Krieg durch Plünderungen. Dieser Mann berichtet von einem russischen Söldner-Einsatz bei der Bergarbeitersiedlung Ndassima: "Als die Soldaten der Wagner-Gruppe ankamen, begannen sie mit Übergriffen, Tötungen und Plünderungen. Wir haben Angst gehabt. Viele fielen ihnen zum Opfer. Es gab Entführungen in den späten Nachtstunden. Dann kamen sie zurück, um die Menschen auf offener Straße hinzurichten. Im Viertel Bantou nahmen sie Leute mit, die mitten bei der Arbeit waren. Sie trieben sie zusammen, raubten sie aus und richteten sie dann hin."
Einsätze der "Wagner"-Söldner auch im Mali und im Tschad
Im Internet finden sich diese Bilder eines Massakers, an dem russische Söldner Mitte Januar beteiligt gewesen seien sollen. Es war bereits Thema im UN-Sicherheitsrat. Diese Hinrichtungen konnten bislang nicht aufgeklärt werden. Der UN-Ermittler bekam keinen Zugang zum Tatort im Landesinnern. Seine Erkenntnis: "Die russischen Verbündeten (sollen) für mehrere Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich sein, beispielsweise in Dörfer gehen und die Bevölkerung bedrohen", so Yao Agbetse, UN-Berichterstatter für die Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik.
Nach dem zentralafrikanischen Vorbild kommen nun auch in Mali Wagner-Söldner zum Einsatz. Moskau soll anti-französische Demonstrationen finanziell und mit Propagandamitteln unterstützt haben. Die Vorgehensweise ist immer ähnlich: Destabilisierung. Nicht mehr der Westen, sondern die Russen sollen den Islamisten-Terror im geschundenen Land beenden. Am Flughafen der Hauptstadt trainieren die Söldner schon. Offenbar sind einige hundert bereits im Land.
Weiter in den Osten der Sahelzone, in den Tschad. Auch hier sollen die Wagner-Söldner die Franzosen aus dem Land vertreiben. Der Chef einer einflussreichen Rebellengruppe soll nun Kontakt zu den russischen Söldnern im Nachbarland Zentralafrika suchen. Das Ziel: Den Übergangspräsidenten des Tschad stürzen. Tondokumente sollen das belegen.
Die Aufregung ist groß. Ist Moskau auf dem Weg zum Königmacher in der ganzen Region? Zurück in Bangui gibt sich die Regierung ahnungslos und lässt nichts auf die russischen Freunde kommen. Die politische Unsicherheit in weiten Teilen Afrikas nimmt zu. Russlands Söldnerarmee kann das für sich nutzten – und Moskaus Einfluss in Afrika vergrößern.
Autor: Norbert Hahn, ARD-Studio Nairobi
Stand: 01.03.2022 16:55 Uhr
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