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Das Erste
Russland: Die Mammuts kommen
Der Klimawandel lässt den Boden der russischen Permafrost-Regionen immer weiter auftauen. Immer mehr Knochen und Kadaver von den Eiszeit-Einwohner der sibirischen Tundra kommen so zum Vorschein: Mammuts. Während die Einwohner der russischen Teilrepublik Jakutien mit dem Ausgraben von Mammutstoßzähnen viel Geld verdienen, sammelt die Akademie der Wissenschaften in Jakutsk die Tier-Kadaver. Sie wollen sie wieder zum Leben erwecken. In Jakutsk, der kältesten Stadt Russlands, verwirklichen Mammut-Forscher ihren Traum von einem internationalen Forschungszentrum und Mammut-Gen-Labor.
Ihre Hoffnungen knüpfen sie besonders an die Entdeckung von "Butterblume", ein auffallend gut erhaltenes Mammutweibchen, das sie 2013 auf der sibirischen Novosibirsk-Halbinsel mühsam ausgruben.In der Geschichte der Paläontologie ist "Butterblume" ein Unikum, weil es rotes Muskelfleisch aufweist und nicht gefrorenes Blut in seinen Adern hat. Wenn die Forscher im Blut des Tieres tatsächlich noch eine lebende Zelle entdecken können, dann sind die Chancen für ein Klon-Experiment groß. Vielversprechender sind jedoch Versuche, das gesamte Erbgut der Mammuts zu entschlüsseln, und DNA-Sequenzen in die Elefanten-DNA einzubringen. Die Rückkehr der Mammuts scheint nur eine Frage der Zeit. Eine Reportage von Golineh Atai (ARD Moskau).
Sie ist etwas verschrumpelt, aber: der ganz große Star der Eiszeit. Die Wissenschaftler haben sie Juka getauft. Juka – das rotblonde Wollhaarmammut. "Das stinkt", meint eine Museumsbesucherin. Eine andere sagt: "Sie riecht schlecht." Juka lebte vor 34.000 Jahren. Im "Reich des Permafrosts", einem Museum in der russischen Teilrepublik Jakutien, wird sie gelegentlich den Touristen gezeigt. Jukas Artgenossen könnten bald wieder in der Tundra umherziehen. Dank Jukas Erbgut. Sie ist hervorragend erhalten. "Das macht Angst! Das ist gefährlich! Und wir sind so klein neben diesen Tieren!", sagt eine Touristin. "Sollen sie rumrennen, aber nur in den Bergen!", findet eine andere. Und eine weitere Frau meint: "Nun, das ist eine gute Idee, das wäre schon interessant, sich diese alten Tiere anzuschauen."
Der Traum von der Wiederauferstehung der Mammuts
Simjon Grigorjew lebt für diesen Traum: Die Wiederauferstehung der wolligen Riesen. Der Forscher will ein internationales Zentrum für Mammutstudien aufbauen, hier in Jakutsk. Das vielversprechendste Tier für die Wissenschaft hat er hier aufbewahrt – bei minus 86 Grad. Ein ausgewachsenes Mammutweibchen, mit dem Spitznamen "Butterblume". Der Rüssel von "Butterblume": eine echte Goldgrube, erklärt Grigorjew. "Als wir das hier aufschnitten, sahen wir an einigen Stellen, dass das Fleisch rot war, richtiges Muskelfleisch, das war wirklich erstaunlich. In diesem Rüssel liegt unsere größte Hoffnung, eine lebende Zelle zu entdecken."
2013 machte Simjon Grigorjew die, wie er sagt, erstaunlichste Entdeckung seines Lebens. Vom Mammutweibchen "Butterblume" ragten nur die Stoßzähne aus dem Eis hervor, begraben im Permafrost einer nordsibirischen Insel. "Hier liegt ein Teil des Kopfes", erklärt Grigorjew. Als seine Forschergruppe das Eis unter dem Magen des Tiers entfernt, passiert etwas nie Dagewesenes: Es fließt dunkles Blut aus dem Eis. Das Blut ist nicht gefroren. Später stellt Grigorjew fest, dass der Kadaver über 28.000 Jahre alt ist. Geschichten über Mammutfleisch, das Einheimische an ihre Hunde verfüttern, hatte er immer wieder gehört. Aber jetzt lag das rote, reine Fleisch vor ihm. "Wir hoffen, da drin eine lebende Zelle zu finden. In diesem Gewebe, das zehntausende Jahre alt ist. Das ist natürlich eine schwere Aufgabe. Fast unmöglich."
Ein Elefantenweibchen als Mammut-Mutter?
Mit Hilfe südkoreanischer Genforscher sucht Grigorjew seitdem nach einem intakten Zellkern in den roten Blutzellen des Fleisches. Bislang vergeblich. Der Zellkern könnte in die Eizelle eines Elefantenweibchens eingebracht werden. Und das könnte das Mammutbaby austragen. Im Kühlraum der Universität Jakutsk liegt jede Menge altes Fleisch. Ein Rentier, ein Pferd, der Bauch und die Stoßzähne des Mammutweibchens "Butterblume". Von einer ganz wunderbaren, natürlichen Farbe, erklärt der Wissenschaftler stolz. Realistischer als in diesem Rüssel einen Zellkern zu finden ist: ein anderer Weg. Das Gen-Engineering. Die künstliche Herstellung des kompletten Mammut-Erbguts. "In 5, 10, höchstens 20 Jahren wird ein künstliches Mammut-Molekül geschaffen", glaubt Simjon Grigorjew. "Ich hoffe sehr, dass ich das noch miterlebe, aber wenn nicht, dann werden unsere Kinder die Wiederauferstehung der Mammuts erleben." Der Mensch hat das Mammut vertrieben und ausgerottet. Bald könnte er die Riesen der Eiszeit wieder zurückbringen.
Stand: 13.07.2019 20:58 Uhr
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