Mo., 03.08.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Sambia: Wälder zu Holzkohle
Ein langsames Geschäft: Das Holz wird gehackt, gestapelt, dann luftdicht mit Gras und Sand bedeckt und schließlich angezündet. In einem selbstgebauten Meiler schwelen die Scheite tage-und nächtelang zu Holzkohle. Holzkohle ist die billigste Energiequelle Sambias. Die Produktion des Brennstoffes vernichtet Jahr für Jahr mehr Wälder. Berghänge erodieren, eigentlich fruchtbarer Boden wird weggeschwemmt, Bauern verlieren ihre Lebensgrundlage. Das einzige, was ihnen bleibt: Der Verkauf selbstgefertigter Holzkohle. Ein Kreislauf, der immer tiefer in die Armut führt. ARD-Korrespondentin Joana Jäschke (ARD-Studio Johannesburg) über Armut als Klimakiller.
Es sieht ein bisschen aus, wie ein Kampf David gegen Goliath. Nur langsam frisst sich die selbstgebaute Axt durch das Holz. Vier Tage werden Alvin und Victor hacken, bis der Mutondo-Baum endlich fällt. Einer der letzten, großen Bäume ihres Dorfes. Und so etwas wie ihre "Lebensversicherung". "Der Mutondo-Baum ist ziemlich ergiebig", meint Alvin Munymani. "Daraus werden wir eine Menge Holzkohle machen. Aber es gibt nicht mehr viele von den ganz großen Bäumen. Deshalb haben wir oft lange Wege. Aber die müssen wir in Kauf nehmen, denn nur so können wir Geld machen und überhaupt überleben."
Es gibt keine Alternativen
Ein langsames Geschäft. Das Holz wird gehackt, gestapelt, dann luftdicht mit Gras und Sand bedeckt und schließlich angezündet. In einem solchen Meiler schwelen die Scheite zu Holzkohle. Mehrfach am Tag und auch nachts müssen Alvin und seine Familie nachsehen, ob nicht doch Luft rankommt – dann wäre ihre Arbeit umsonst. Das Holz verbrennt zu Asche. "Wir haben absolut keine Alternative. Nur so können wir ein bisschen Geld verdienen und unsere Kinder ernähren. Wir würden schlichtweg verhungern, denn wirtschaftlich geht es uns auf dem Land am schlechtesten."
Umgerechnet sechs Euro pro Sack
Und so wie Alvin und seine Familie sind die meisten Menschen im ländlichen Sambia von der Holzkohle abhängig. 50 Kwacha verdienen sie an einem solchen Sack – umgerechnet gut sechs Euro. Von dem Geld wollen sie ihre Kinder zur Schule schicken. Die Nachfrage nach Holzkohle ist riesig. Allein in der Hauptstadt Lusaka, 160 km weiter westlich. Hier boomt das Geschäft mit dem "schwarzen Gold", wie sie es nennen. Kohlenmärkte wie dieser – überall in der Stadt. Betty, Tipe und Grace sind so etwas wie die Urgesteine auf dem Markt. Seit 10 Jahren stehen sie jeden Tag hier, vom Morgengrauen bis zur Dämmerung. Wenn es gut läuft, verdienen sie so 120 Kwacha am Tag, also rund 15 Euro.
"Sambia könnte nicht überleben, ohne das Holzkohlengeschäft", erzählt die Holzkohle-Verkäuferin Grace Lombe. "Es startet schon bei den Bauern im Dorf, die nur so ihre Familien durchbringen können, und reicht bis zu uns nach Luska, wo wir auf das Geschäft angewiesen sind. Es ist ein Riesen-Business!" Und Betty Nyirongo ergänzt: "Das Geschäft lässt niemals nach. Je mehr Bäume die Leute fällen, desto besser sind wir im Geschäft. Es ist ein nicht endender Kreislauf."
300.000 Hektar Wald werden jedes Jahr gerodet
Da könnte sie sich täuschen. Bald schon werden die Bäume nicht mehr ausreichen. 80% der Haushalte in Sambia haben keinen Stromanschluss – selbst in großen Teilen der Hauptstadt nicht. Geheizt und gekocht wird daher mit Holzkohle. Und mit der wachsenden Bevölkerung steigt auch die Anzahl derer, die auf Holzkohle angewiesen sind. "Im Alltag brauchen wir die Holzkohle ständig", sagt Endjoves Mwale. "Das ist ja die einzige Energiequelle. Ohne könnte ich keinen Maisbrei kochen. Eigentlich ginge gar nichts ohne Holzkohle." Für die Umwelt ist das ein Problem. Und das wird sichtbar, schon kurz hinter der Stadtgrenze von Lusaka: Bis vor ein paar Jahren stand hier noch dichter Wald. Nun sind nur noch Felder und Büsche übrig. 300.000 Hektar Wald werden jedes Jahr gerodet, schätzt die Regierung. Überwiegend für Holzkohle. Das ist dreimal die Fläche von Berlin. In 20 Jahren könnte das Land ohne Bäume dastehen. Die Auswirkungen aufs Klima kann man heute schon sehen, auch bei Alvin und den anderen Köhlern im Dorf Mumbwa. Starker Regen, dann wieder trockene Perioden. Klimawandel ganz nah.
Nachhaltiger Umgang mit Holz
Deshalb ist er heute hier: Clive Chibule von der Organisation "Green Living Movement". Er will den Köhlern einen nachhaltigen Umgang mit Bäumen und Holz zeigen. Das Prinzip: wenn sie schon einen Baum fällen – wenigstens einen neuen dafür pflanzen. "Wir sitzen schon jetzt auf einer Zeitbombe. Wir leben in einer globalisierten Welt, die mit dem Klimawandel kämpft. Und wenn das Baumfällen nicht nachhaltig ist, verstärken sich extreme Dürreperioden und schlimme Fluten. Es wird noch mehr Hunger geben, weil die Menschen hier keine Ernte mehr produzieren können."
"Wir wissen, dass wir durch das Abroden das Klima mit beeinflussen"
Dabei ist die Ernte schon jetzt ein Problem: Die Landwirtschaft, von der sie alle mal gelebt haben, wirft nicht mehr genug ab, zeigt uns Alvin. "Schaut euch doch mal diesen verkümmerten Mais an, wo soll der uns denn hinbringen?", fragt Alvin Munymani. "Wie sollen wir davon denn leben? Der fruchtbare Boden – weggewaschen von flutartigen Regenfällen. Weil durch das unkontrollierte Baumfällen sind keine Wurzeln mehr da, die das Erdreich festhalten. Dabei wissen sie hier in Mumbwa, dass sie langfristig auch an ihrer eigenen Existenz sägen. "Wir wissen, dass wir durch das Abroden das Klima mit beeinflussen. Aber was bleibt uns denn übrig? Wir müssen weiter Holzkohle machen. Es ist doch besser, jetzt einen Baum zu fällen und irgendwie zu überleben – als die Bäume stehenzulassen und dann zu verhungern, oder?" Auf dem Heimweg ins Dorf fällt Alvin noch schnell einen Baum – Feuerholz für heute Abend. Und der nächste Stamm für die Holzkohleproduktion.
Stand: 09.07.2019 01:12 Uhr
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