So., 28.06.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Spanien: Das Versagen in den Altenheimen
Zu Beginn der Krise gab es noch Applaus für Ärzte und Krankenschwestern, doch daraus sind Proteste geworden. Sie richten sich vor allem gegen die Politik. Spanien kämpft mit einem Trauma, den tausenden Toten in seinen Altenheimen.
Ana Ariza will alleine bleiben mit ihrem Schmerz – sie hat im März ihre Eltern verloren, Vater und Mutter. Beide starben im Altenheim am Corona-Virus. Wahrscheinlich haben sie sich gegenseitig angesteckt, sie wurden wohl nicht getrennt. Dann durfte Ana ihre Eltern nicht mehr sehen – und sie bekam kaum noch Informationen. Ihr Vater starb zuerst, einige Tage später die Mutter.
Fatale Fehler
Anfangs unterschätzten die Verantwortlichen das Virus und begingen fatale Fehler. Dann kamen politische Anordnungen dazu: In Spanien sind die Provinzen für das Gesundheitssystem zuständig. In Madrid ist das die Regionalregierung der konservativen Isabel Ayuso. Deren Gesundheitsdezernat befand sich Ende März in einer Situation der Überforderung: Immer mehr Patienten wurden in die Intensivstationen eingeliefert, diese standen vor dem Kollaps. Krankenhäuser, so berichten lokale Medien, wurden deshalb angewiesen, keine Bewohner von Altenheimen aufzunehmen.
Die Vereinigung zur Verteidigung der Patienten will die Landesregierung von Madrid verklagen, auch Ana Ariza, die ihre Eltern verloren hat. Für die Präsidentin der Organisation, Carmen Flores, sind die Vorgänge ungeheuerlich – 20 000 Menschen sind wohl in Spaniens Altenheimen am Virus gestorben.
Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise wurden verstorbene Bewohner oft tagelang nicht aus den Altenheimen abgeholt. Das Gesundheitssystem war kollabiert. Die Regierung sandte schließlich das Militär, um die Einrichtungen zu desinfizieren.
Für Angehörige wie Ana Ariza bleibt der schreckliche Verdacht, dass ihre Eltern womöglich hätten gerettet werden können. Deswegen geht sie vor Gericht, deswegen will sie wissen, was wirklich geschehen ist.
Die vielen Toten in den Altenheimen - für Spanien werden sie zu einem nationalen Trauma.
Autor: Stefan Schaaf, ARD Madrid
Stand: 29.06.2020 09:59 Uhr
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