Mo., 02.10.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Spanien/Katalonien: Kampf um Unabhängigkeit – die Vorgeschichte
Wer rund um Barcelona erfahren will, warum so viele Katalanen Spanien den Rücken kehren wollen, muss ins historische Museum gehen. Es erzählt zum Beispiel von einer Schlacht im Jahr 1714. Damals verloren die Katalanen einen langen Kampf gegen Vorfahren des heutigen spanischen Königs. 1714 – Der Gründungsmythos der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Wie konnte sich der Konflikt zwischen Staat und Region jetzt so weit hochschaukeln? Sebastian Kisters hat sich die Vorgeschichte näher angeschaut.
Nach 17 Spielminuten und 14 Sekunden: zu besichtigen und hören bei jedem Heimspiel des FC Barcelona. "Indapendencia", brüllen die Menschen dann . Unabhängigkeit. Aus dem Stadion hat es der Schlachtruf auf die Straßen geschafft. "1714 hat Barcelona eine große Niederlage erlitten. Das wollen wir ändern. Jetzt!", sagt Josep Garcia.
Zurück ins Museum: Im spanischen Bürgerkrieg kämpften Katalanen für die Republik und gegen den Diktator Franco. Der ließ Bomben auf Barcelona fallen. Und Katalanen später unterdrücken. Auch davon erzählt das Museum. Katalanisch wurde in der Schule nicht mehr gelehrt. Nur noch Spanisch. "Es war eine gefährliche Unterdrückung. Du wurdest nicht nur ausgeschimpft, wenn Du katalanisch gesprochen hast. Du bist ins Gefängnis gekommen!", erklärt Teresa Rodon vom historisches Museum Katalonien. Die Separatisten werben nun damit, durch ein Nein zu Spanien könne man den Frankismus endgültig abschütteln. Auf diesem Wahlaufruf steht: "Wählt die Republik! Es ist Zeit, den Frankismus zu beenden".
Unabhängigkeitsreferendum: Resultat verpasster Annäherungschancen
Ein tiefes Gefühl, zu oft auf der Verliererseite gestanden zu haben, unterdrückt worden zu sein, treibt also viele Katalanen auf die Straße. Ihr Unabhängigkeitswunsch: historisch bedingt. 2006 hätte es eine Chance gegeben, die Entwicklung zu stoppen. Beinahe wäre es zum Vertragsabschluss gekommen zwischen Katalonien und Spanien, der den Katalanen mehr Unabhängigkeit gebracht hätte. Doch das verhinderte Mariano Rajoy, damals Oppositionsführer - heute spanischer Regierungschef. Und Feindbild vieler Katalanen. "Er ist verrückt. Ich verstehe nicht, warum er Leute so verachtet. Alle Katalanen!", so Josep Garcia. Auch Ruth Mata Curto klagt: "Er respektiert uns nicht. Er kommt nicht mal und fragt: Was können wir tun, damit ihr zufrieden seid?" Für Yolanda Olid käme ein Entgegenkommen Madrids zu spät. "Jetzt ist der Moment, da wir es satt haben. Wir wollen Freiheit und möchten selbst bestimmen", sagt die Unabhängigkeitsbefürworterin.
Dass der spanische Regierungschef Rajoy nie auf die Katalanen zugegangen ist, um zu verhandeln, rächt sich nun. 2006 wollten nur rund 15 Prozent der Menschen rund um Barcelona die Unabhängigkeit. Neueste Erhebungen sprechen nun von 50 Prozent. Die letzten Wochen stellt man sich am besten so vor: Die Katalanische Regierung hat ein Drehbuch geschrieben. Sie veranstalten ein illegales Referendum, am Ende sollen Rajoy und seine Regierung aber die Schurken sein. Die Katalanen wieder einmal Opfer. Die Regierung hat durch den Polizeieinsatz das Drehbuch Seite für Seite mit Bildern gefüllt, die die Separatisten genau so wollten.
Stand: 31.07.2019 03:13 Uhr
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