So., 16.05.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Spaniens: Nationalpark trocknet aus
Der andalusische Coto de Doñana ist einer der wichtigsten Naturräume Europas. Weltkulturerbe und Drehkreuz für Millionen Zugvögel. Gleich nebenan sind riesige Obstplantagen, hier wächst das Obst und Gemüse für Mitteleuropa. Und die Plantagen sind durstig. Sie graben dem Paradies buchstäblich das Wasser ab. Zu viele Brunnen, die sich aus dem Grundwasser des Doñana bedienen, viele sind illegal. Die spanischen Behörden bekämpfen den Missstand nur schleppend.
Dem Nationalpark wird das Grundwasser abgegraben
Im Frühjahr, in der Brutzeit, kommt man ihnen besonders nahe. Den Flamingos, den Schwarzmilanen und Seeadlern, den Sichlern und Löfflern und den Wildschweinen. Ambrosio Lago ist seit fast 30 Jahren Ranger im Nationalpark. Ein Paradies, sagt er. Und er kennt jedes Tier – die Gesänge, die Spuren. "Das hier waren eine Hirschkuh und ihr Junges. Hier kommen jede Menge Tiere durch. Sie gehen von den Feuchtgebieten zum Meer und zurück. Füchse, Wildschweine, Hirsche." Für Zugvögel ist der Coto de Doñana eine Art Drehkreuz zwischen Afrika und Europa. Millionen kommen im Winter hier durch – durch mehr als 100.000 Hektar Naturstrand, Dünen, Wald- und Feuchtgebiet. Und überall findest Du Leben, sagt Ambrosio, selbst in den Wüstenteilen des Parks. "Die Düne saugt das Grundwasser hoch und spült es Richtung Strand und Richtung Pinienwald. Deswegen hast Du hier so viele Tiere."
Der Doñana braucht Grundwasser, aber es wird ihm buchstäblich abgegraben. Denn direkt nebenan wachsen unter Plastikplanen hektarweise Himbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren. Der Umweltschützer Juan Romero beobachtet den Wildwuchs seit Jahrzehnten. Er ist auf der Jagd nach illegalen Brunnen. "Hier haben sie ganz tief in den Boden gebohrt, Elektrik und eine Pumpe eingebaut. Das ist alles Grundwasser vom Doñana. Diese Brunnen sind illegal." Etwa 1.000 solcher Brunnen gibt es in der Gegend, schätzt Juan Romero. Noch ein paar Fotos, und dann schnell weg. Mit den Bauern hier ist nicht zu spaßen, sagt er. Will die Regierung Bohrlöcher schließen, geht das oft nur mit Polizeischutz. Und nach langem juristischem Kampf.
Anklagen wegen illegaler Wasserentnahme
"Die Betroffenen können erstmal Widerspruch einlegen, und so weiter...", sagt Alejandro Rodríguez vom Wasserverband Guadalquivir. "Im Moment schließen wir Brunnen, die wir schon im Jahr 2014 entdeckt haben – also vor sieben Jahren!" Die besonders schweren Verstöße arbeiten sie hier juristisch nach. Aber das dauert oft lange. Die Provinzhauptstadt Huelva, im März: 13 Landwirte und zwei Bürgermeister sind wegen illegaler Wasserentnahme angeklagt. Es ist der bisher größte Prozess dieser Art. Für den Staatsanwalt eigentlich ein Erfolg, den er nach zehn Jahren Ermittlungen aber mit gemischten Gefühlen sieht. "Wenn die Behörden rechtzeitig handeln würden, bräuchte es uns nicht mehr", meint Oberstaatsanwalt Alfredo Flores. "Wenn wir aber aktiv werden müssen, heißt das immer, dass vorher irgendwo versagt wurde." Die Lebensräume des Doñana werden nicht ausreichend geschützt, sagt auch die Europäische Kommission, ihre Klage gegen Spanien liegt zur Entscheidung beim Europäischen Gerichtshof. Umweltverbände finden: das ist eine Blamage. Viele Anbauflächen um die Schutzgebiete herum hätten längst verschwinden müssen.
"Europas Obstgarten" – fast die ganze Ernte hier wird exportiert, auch nach Deutschland. Romualdo Macias bewirtschaftet elf Hektar. Heidelbeeren sind gerade ein Riesen-Trend, sagt er, die würden ihm aus den Händen gerissen. Er hat hunderttausende Euro in Bewässerungstechnologie investiert und spart bis zu 40% Wasser ein. Aber Anbauflächen reduzieren – wie soll das gehen, wenn die Nachfrage ständig steigt? "Wir können nicht von heute auf morgen unsere Fincas schließen oder ab morgen kein Wasser mehr verbrauchen. Wir haben Kredite, Hypotheken, hohe Kosten. Und als Unternehmer Verantwortung, hiervon leben total viele Menschen."
Die Konflikte um den Doñana sind nach wie vor nicht gelöst – und das Grundwasser sinkt weiter, jedes Jahr ein Stück mehr. Mein Park ist aber ein absolut einzigartiger Ort, sagt Ambrosio Lago, der Ranger. Ich hab´ den schönsten Job der Welt – und am liebsten hätte ich, wenn noch meine Enkel hier arbeiten könnten."
Autorin: Natalia Bachmayer, ARD-Studio Madrid
Stand: 16.05.2021 21:34 Uhr
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