Mo., 06.03.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Südafrika: Wenn der Pastor mit Domestos "heilt"
Erbrechen und Ohnmacht – nicht das, was man im Gottesdienst erwarten würde. Doch hier serviert der Pastor Domestos-Reiniger, um böse Geister auszutreiben. Eine christliche Freikirche in Johannesburg trinkt und erbricht.
Pastor Sipho Mphakathi ist entspannt: "Zuerst habe ich nur selbst getrunken, und wie man sieht, geht es mir gut. Ich selbst habe mich nie erbrochen, denn ich bin Gottes General und habe keinen bösen Geist in mir. Der Reiniger kann mir nichts anhaben."
Den Reiniger zu trinken ist ein freiwilliges Angebot. Doch viele nehmen es demütig an. Die Inhaltsstoffe reizen Haut und Schleimhaut; Entzündungen können die Folge sein. Hier sorgen sie für Ekstase. Seit der Pastor Domestos im Repertoire hat, ist seine Popularität deutlich gestiegen. Die Gemeindeglieder sind begeistert: "Es schmeckt wie Saft, nicht wie Domestos", sagt diese Frau. "Wie ist das möglich?", fragen wir. "Weil Gottes Geist mit mir ist." "Es reinigt dich von innen", ist sie überzeugt. "So wirst du all die Flüche los, die andere dir auferlegt haben. Böse Geister oder spirituelle Dunkelheit."
Konkurrenz um die Gläubigen
Kirchen wie diese finanzieren sich durch Spenden – und die Konkurrenz um Anhänger und deren Geld ist groß. Viele werben im Internet mit aufsehenerregenden Ritualen: hier mit Benzin statt chemischem Reiniger. Die Gemeinde drängt nach vorn, um einen Schluck zu nehmen. Immer mehr solcher Kirchen entstehen in Südafrika. "Draußen vor der Tür sehe ich Nahrung!", sagt hier der Pastor. "Geht nach draußen und esst!" Nicht gesundheitsschädlich, aber obskur: Gras für die Gemeinde. Anderswo gibt es Schlangen, die lebend gegessen werden.
Psychologe Leonard Carr: "Das passiert in einem hypnoseähnlichen Zustand. Die Menschen treffen keine bewusste Entscheidung. Ihr Urbedürfnis nach einer intensiven emotionalen Erfahrung wird von den Pastoren ausgenutzt. Ich denke, das ist ein sehr krankhaftes Phänomen."
Einer der ersten Anhänger des Domestos-Rituals war Chimane Bereng. Auch heute trinkt er wieder. Die Gemeinde hat ihn vor Jahren noch als schweren Alkoholiker erlebt. Seit er gläubig sei und Domestos trinke, habe er mit dem Alkohol aufgehört, sagt Chimane. Er lebe jetzt ein gesundes Leben. Hier im Township Kagiso zeigt er nun seiner Familie wie man sich fit hält. Keiner hier scheint daran zu zweifeln, dass es Gott und Domestos waren, die ihn auf den richtigen Weg zurückgeführt haben. Und er setzt auch für die Zukunft auf die Bibel: "Spätestens in fünf Jahren werde ich meine eigene Kirche gründen oder ich predige einfach in den Kirchen anderer Pastoren." Sagt es und nimmt einen Schluck eines angeblich gesegneten Olivenöls. Das hat er beim Pastor gekauft und er schwört auf die Wirkung. Die Kraft Gottes sei stark in ihm, sagt Chimane.
Gefahr für Kritiker
Man mag das alles merkwürdig finden, aber diese Form der Religiosität ist auch ein großes Geschäft, ein Markt, der hart umkämpft ist. Wie hart, sehe ich hier: nur per Skype kann ich mich mit dem schärfsten Kritiker der neuen Pastoren unterhalten. Er hat aus Angst Südafrika verlassen, erzählt er mir. Seine Familie sei mit dem Tod bedroht worden. Solomon Ashoms warnt: "Diese Kirchen sind sehr gefährlich, auch für ihre Anhänger, die alles tun, was die Pastoren ihnen sagen. Ich habe schon Todesfälle erlebt. Manchmal wird Kranken gesagt, sie sollen ihre Medizin nicht mehr nehmen und stattdessen beten oder andere Dinge tun – das ist lebensgefährlich."
Juristisch gegen die neuen Kirchen vorzugehen, ist schwierig, denn deren Anhänger folgen ihnen freiwillig. Eine Regierungskommission für Kirchenfragen ist in Südafrika für strittige Fälle zuständig. Nur in einem Fall kam der Pastor nach der Anhörung dort auch vor Gericht: er hatte seine Anhänger mit Insektengift besprüht: "Es ist schon wahr", sagt Edward Mafadza, Leiter der Kommission, "eine Kirche zu gründen ist in Südafrika einfacher als in anderen Ländern. Und wir können Pastoren nur dann vor Gericht bringen, wenn ihre Opfer sich mit Beschwerden an uns wenden."
Keine Angst vor Strafe
Davor habe er keine Angst, sagt der Domestos-Pastor – im Hauptberuf ist er tatsächlich Anwalt. Und, so sagt er, auch seine Klienten schätzten seine Doppel-Qualifikation. Sipho Mphakathi, Pastor und Anwalt: "Sie kommen in meinen Gottesdienst und spüren die Gegenwart Gottes – das kann am Ende auch vor Gericht Positives bewirken." Domestos in der Kirche verstoße nicht gegen das Gesetz, sagt der Pastor – vor allem aber sei es Gott gewesen, der ihm und seiner Gemeinde befohlen habe, den Reiniger zu trinken.
Autor: Thomas Denzel, ARD Johannesburg
Stand: 14.07.2019 01:53 Uhr
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