So., 14.06.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Safari digital
"Viele Tiere haben bereits Starstatus bei unseren Online-Nutzern", sagt Neil Jennings. Bei Morgengrauen fährt der Ranger durch das Manyaleti-Reservat im Nordosten Südafrikas und filmt: Löwen, Leoparden, Elefanten im Sonnenaufgang – der Traum vieler Safari-Touristen. Doch genau die bleiben wegen der Coronavirus-Pandemie gerade aus.
Damit bricht den Reservaten die wichtigste Einnahmequelle weg. Jennings und sein Team haben die Safari ins Netz verlegt. "So bleiben wir im Gespräch bei den Leuten, die dann hoffentlich nach der Pandemie wieder bei uns buchen".
Safari-Videos fürs Marketing
Die Weite des Buschs – nie war sie so einsam wie heute. So weit das Auge reicht sind diese beiden hier die Einzigen. "Guten Tag alle zusammen" sagt Neil Jennings, von der Tintswalo Safari Lodge. "Ich und Alistair sind wieder unterwegs. Nach einem kalten nebligen Morgen ist die Sonne wieder da und wir sind im Norden des Reservats." Mit ihren Kameras fangen Alistair Leuner und Neil Jennings den Zauber der Wildnis ein – für die, die sonst hinten im Safari-Wagen sitzen. "Unsere Tiere werden schnell richtige Stars", sagt Alistair Leuner. "Leute in den USA, Großbritannien oder Europa kennen die Leoparden und Löwen hier besser als wir. Manchmal laden wir das Video eines Leoparden hoch, bei dem wir uns nicht sicher sind. Und Leute, die noch nie hier oder in Afrika waren, können uns genau sagen welcher das war."
Mittlerweile sind sie bei Folge 70 ihrer Safari-Show fürs Internet – doch was sie heute sehen, ist selbst für die erfahrenen Safari-Führer ein Höhepunkt: Ein Leopard auf Jagd. Er hat es abgesehen auf zwei Impala-Antilopen. Die sind so in ihren Kampf vertieft, dass sie die Gefahr nicht erkennen. Die Weibchen im Rudel aber sehr wohl – sie warnen mit ihren Rufen. Und der Leopard gibt schließlich auf. "Der Tourismus steht still und wir machen uns sehr große Sorgen", erklärt Alistair. "Solche Videos bringen uns zwar kein Geld ein – aber sie helfen alles ein bisschen abzumildern – so können wir wenigstens Marketing für unser Reservat machen." Und heute scheint ihr Glückstag zu sein: kurz vor Einbruch der Dunkelheit treffen sie auf ein Löwenrudel mit Nachwuchs.
In der Lodge wo sonst die Touristen übernachten schneiden die beiden ihre Filme. Fast täglich entsteht eine neue Folge. Die Zuschauer können Neil und Alistair Feedback geben. Heute kommt ein Videoanruf von Brian Nel. Der ist sonst regelmäßig zu Gast im Reservat. "Für mich bedeutet die virtuelle Safari, dass ich mir neben all den schlechten Nachrichten auch etwas Positives anschauen kann. Selbst wenn ich die Kälte des Morgens nicht spüren und den Morgen-Kaffee nicht riechen kann. Und es fehlt die Angst, wenn ein Löwe ganz nah ans Auto kommt."
Angestellte ohne berufliche Zukunft
Im Corona-Lockdown steht die Lodge leer. Urlaubs-Übernachtungen sind verboten. In manchen Reservaten dürfen wenigstens die Einheimischen wieder auf Safari – wenn sie im eigenen Auto fahren. Doch genug Geld lässt sich nur mit Übernachtungen verdienen – und vor allem mit internationalen Gästen. Die meisten der Angestellten mussten sie hier entlassen. Tausende Familien leben in Südafrika vom Tourismus. Ohne die Gäste geht es an die Existenz. Und auf dieser Safari-Farm schon ums blanke Überleben der Angestellten. Aus der hauseigenen Metzgerei bekommen sie hier nun Fleisch-Spenden.
James Zishiri und seine Frau haben beide bisher auf der Farm gearbeitet. Doch nun gibt es auch hier keine Gäste mehr – und für das Ehepaar nichts mehr zu tun. Sie bekommen nur noch einen Teil ihres Gehalts – und auch das nur noch bis Ende Juni. "Es ist ein Problem ohne Arbeit", sagt James Zishiri. "Das Fleisch hilft uns heute fürs Erste weiter – aber was ist unsere berufliche Zukunft? Ich sehe keine." Übrigens: das Fleisch kommt nicht von irgendwo – auch wenn das nicht jedem Tierfreund gefallen wird. "Im Moment schießen wir einige unserer eigenen Tiere, um unsere Mitarbeiter wenigstens mit Fleisch zu versorgen – vor allem die, die wir entlassen mussten" erklärt Sollie Potgieter, der Besitzer der Farm. "Es sind schwierige Zeiten – aber so wir wollen versuchen unseren Mitarbeitern zu helfen."
Zurück bei Neil und Alistair. Sie haben ein weiteres Highlight entdeckt: einige der sehr seltenen Wildhunde. Von solchen Attraktionen lebt der südafrikanische Tourismus. Doch wieviel davon überhaupt noch zu retten ist, ist fraglich. Erst in sieben Monaten will Südafrika die Grenzen öffnen. "Natürlich vermissen wir die Gäste – es wäre schön, ihnen das alles wirklich zu zeigen" sagt Alistair. "Hoffentlich kommen sie wieder, wenn der Lockdown vorbei ist. Auch wenn es schön ist, das jetzt nur mit Neil zu erleben." Die beiden sind vorerst weiter für ihre virtuellen Touristen unterwegs – und hoffen, dass ihre Lodge so wenigstens nicht in Vergessenheit gerät.
Autor: Thomas Denzel, ARD-Studio Johannesburg
Stand: 14.06.2020 21:50 Uhr
Kommentare