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China: Das Land der Internet-Jäger

China: Das Land der Internet-Jäger | Bild: SWR

Über 500 Millionen Menschen sind in China täglich online. Millionen schreiben sogenannte Blogs. Und Tausende sind auf der Jagd nach korrupten Kadern. Ein Funktionär mit Vorlieben für teure Rolex-Uhren wird im Netz solange vorgeführt, bis er sich nicht mehr weiter rechtfertigen kann. Die Internetfahnder decken auf, dass der Sohn eines hohen Funktionärs einen für Parteikader unbezahlbaren Ferrari fährt. Immer deutlicher wird das Ausmaß der Korruption in China. Und immer heftiger wehrt sich die kommunistische Parteiführung in Peking  gegen die Internetjäger. Ein Bericht von Christine Adelhardt, ARD Peking

Internetseite
„Das Kontrollnetzwerk des Volkes“ heißt die Webseite des Journalisten Zhu | Bild: SWR

Auf den ersten Blick sind es nur langweilige Fotos. Regierungsbeamte bei offiziellen Anlässen. Der zweite Blick aber empört Chinas Bürger: Luxus-Uhren, an den Handgelenken der Funktionäre, bis zu 60 000 Euro teure Edel Modelle. Mit ihrem bescheidenen Beamtengehalt können sich die Parteioffiziellen das nicht leisten. Das weiß jeder. Deswegen gelten Uhren in China als Symbol für Korruption, Bestechungsgeschenke. Er hat hunderte solcher Fotos ins Netz gestellt und den Preis der Uhren ermittelt. Seither wird er von der Staatssicherheit bedroht, daher will er nicht erkannt werden. „Ich wollte mit den Bildern mehr Menschen auf das Phänomen aufmerksam machen, damit öffentlicher Druck entsteht und die Fälle untersucht werden. Aber das Gegenteil ist passiert. Die Propagandaabteilung löscht die Bilder aus dem Netz, und unternimmt alles, damit die Beamten nicht kontrolliert werden.“

Politiker bei Parade
Führungsriege der KP Chinas  | Bild: SWR

Nichts schadet dem Ansehen der Machthaber im Ein- Parteien Staat mehr als die grassierende Korruption. Allein in den letzten fünf Jahren hat die KP: 660 000 Fälle untersucht. 120 Milliarden Dollar haben korrupte Beamte ins Ausland geschafft. Tausende haben sich mit ihrem erschlichenen Vermögen abgesetzt, Hunderttausende zocken im Land ab. Und das sind nur die offiziellen Zahlen. „Korruption gibt es in China überall“, sagt der Journalist Zhu Rui feng. „Die Regierungsbeamten müssen erst einmal selbst jemanden bestechen, damit sie überhaupt auf ihre Posten kommen. Wenn sie dann im Amt sind lassen sie sich bezahlen. Einen Teil des Geldes behalten sie für sich. Den Rest brauchen sie, um ihrerseits höherrangige Beamte zu bestechen.“ Der Journalist Zhu untersucht seit Jahre Fälle von Korruption überall im Land. Zhu hat schon so einige bestechliche Kader zur Strecke gebracht und Verfilzung zwischen Wirtschaft und Politik aufgedeckt. „Geschäftsleute müssen mit der Regierung konspirieren. Das fängt schon bei der Registrierung eines Unternehmens an. Wer nicht zahlt, bekommt keine Zulassung und auch sonst keine der nötigen Genehmigungen. Die Regierung kontrolliert alle Bereiche der Wirtschaft. Nur wer Beamte besticht, kann Geschäfte machen.“

Journalist Zhu
Der Journalist Zhu untersucht seit Jahre Korruption in China | Bild: SWR

„Das Kontrollnetzwerk des Volkes“ heißt Zhu’s Webseite. Hier veröffentlicht er seine Recherchen. Sein aktueller Fall: Ein Einkaufszentrum in Huidong im Süden Chinas. 2007 eröffnet das Shoppingcenter. Zunächst läuft alles gut. 1600 Geschäfte ziehen ein. Alle Ladeflächen vermietet. 35 Millionen Euro hat Unternehmer Hu Weimin in das Geschäftsgebäude investiert. Eines Tages kommt der örtliche Polizeichef zu ihm und will 60 000 Euro Bestechungsgeld. „Ich erkläre mir das so: Es gibt hier noch ein Einkaufszentrum. Der Besitzer ist ein Freund des Polizeichefs. Solange er gute Geschäfte macht, bekommt auch der Polizeichef seinen Teil ab. Da nun aber mein Geschäft florierte, machte der andere Verluste. Daher hat den Polizeichef bestochen, damit der mir Schwierigkeiten macht.“ Herr Hu weigert sich zu zahlen. Was dann geschieht, hört sich an wie aus einem billigen Mafiaroman. Arbeiter, die angeblich keinen Lohn erhalten haben, kommen und schlagen Fensterscheiben ein.

Einkaufszentrum
Der Unternehmer Hu Weimin wird erpresst | Bild: SWR

Er hat an diesem Tag Dienst: Wachmann Gong, ein Angestellter von Herrn Hu. Er gerät in eine Schlägerei mit den aufgebrachten Arbeitern. Dann kommt die Polizei und nimmt ihn fest. „Einige Tage nach meiner Festnahme haben sie mich zum Verhör gebracht. Dass einzige was die Polizei wollte, war, dass ich Unternehmer Hu – meinen Chef - belaste und aussage, er hätte angeordnet, dass ich die Arbeiter verprügele.“ Herr Gong sagt nicht gegen seinen Chef aus. Dafür wird er acht Monate im Gefängnis festgehalten und die Schwierigkeiten für Unternehmer Hu gehen weiter. Mal wird der Strom abgedreht, dann defekte Wasserleitungen nicht repariert. Und immer wieder kommt die Polizei vorbei, gängelt die kleinen Ladenbesitzer. Nach und nach schließen immer mehr Geschäfte. „Bedauerlich ist, dass eine einzige Person - dieser Polizeichef - soviel Macht besitzt, um soviel Schaden anzurichten. Er hat es geschafft, dass mein Geschäft sich nicht entwickeln konnte und mir große finanzielle Verluste zugefügt. Das ist wirklich traurig.“

Einkaufszentrum
Einkaufszentrum in Huidong | Bild: SWR

Unterdessen wurde der Polizeichef zwar abgesetzt, aber die vertriebenen Geschäftsleute kommen davon nicht wieder. Und vor Gericht ziehen, ist in China auch keine Lösung. „Die Partei Funktionäre decken sich gegenseitig“, sagt der Journalist Zhu Rui feng. „Es macht keinen Sinn, sie zu verklagen. Das kann man gleich sein lassen. Denn bei Gericht muss man nämlich die Richter bestechen, wenn man seinen Fall gewinnen will.“ Zwar werden immer mehr Korruptionsfälle aufgedeckt. „Einzelfälle“ sagt die allmächtige Partei. „Nein, das System ist korrupt“, meinen Kritiker. Und solange das so bleibt, werden so scheinbar nichtsagende Fotos von Kadern weiterhin gar nicht langweilig sein.

Stand: 22.04.2014 14:50 Uhr

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