So., 15.12.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Südafrika: Der Abschied
Am Sonntagmorgen wird Nelson Mandela zu Grabe getragen. Er wird in einer traditionellen Zeremonie bestattet. Eine Reportage von Joana Jäschke und Thomas Denzel, z.Zt. ARD Johannesburg.
Eigentlich ist Qunu ein verschlafenes Dorf mit wenigen hundert Einwohnern. Doch seit Tagen ist es mit der Ruhe vorbei. Straßensperren und überall Polizei – nur geladene Gäste dürfen heute auf Mandelas Anwesen. Zur Trauerfeier im großen, weißen Zelt. Fast alle Dorfbewohner müssen draußen bleiben. Für sie wurden Videoleinwände aufgestellt. Sie sitzen weit weg von der Leinwand. Vielleicht nicht nur, um im Schatten zu sein, sondern auch um zu zeigen, wie verärgert sie sind. Mbulelo Vinjwa will wenigstens im Fernsehen verfolgen, wie der große Sohn des Dorfes begraben wird. Dabei ist Mandela sogar ein entfernter Cousin von ihm. "Wir finden das nicht in Ordnung, sagt er. Wobei wir natürlich verstehen, dass man auch Ehrengästen von auswärts die Chance geben muss, ihm nahe zu sein und zu seinem Haus zu kommen.“
4.500 geladene Gäste haben diese Chance. Sie sind nach Qunu gekommen um Nelson Mandela auf seinem letzten Weg zu begleiten. Der Sarg - gebettet auf Rinderfellen, so will es die südafrikanischeTradition. 95 Kerzen leuchten– eine für jedes Lebensjahr. Am Sarg versammelt – die große Mandela-Familie, seine Frau Graca Machel, die vielen Kinder und Enkelkinder. "Wir werden dich vermissen“, sagt die Enkelin Nandi. "Wir vermissen deine verärgerte Stimme, wenn wir mal nicht brav waren, Deine Stimme, wenn du uns Kindheitserinnerungen erzählt hast. Und dein Lachen…“
Sichtlich berührt - auch Mandelas Weggefährte Ahmed Kathrada. Zusammen haben sie gegen die Apartheid gekämpft, jahrelang haben sie gemeinsam auf der Gefängnisinsel Robben Island eingesessen. "Lebwohl, mein geliebter Bruder, mein Lehrer. Mit all unserer Energie und Entschlossenheit bitten wir das südafrikanische Volk, deine Ideale weiter zu verfolgen. Als unser Kamerad Walter Sisulu starb, verlor ich einen Vater. Jetzt verliere ich meinen Bruder. Es ist Leere in meinem Leben. Und ich weiß nicht, wie ich sie füllen soll.“
Die Trauergemeinde stimmt mit Südafrikas gegenwärtigem Präsidenten Zuma ein Lied an – das viele einst im Kampf gegen die Apartheid gesungen haben. Ein Lied, in dem sie die Einheit der Nation beschwören, für die Mandela so lange gekämpft hatte. Es ist ein Staatsbegräbnis mit militärischen Ehren einerseits und alten Ritualen des Xhosa-Volkes, zu dem Mandela gehörte, andererseits. So wird Mandela beerdigt neben seinen Eltern und einem seiner Söhne, auf dem Grundstück der Familie. Das ist Tradition bei den Xhosa. Diesen Moment wollen die Trauernden für sich haben – die Kameras müssen ausgeschaltet werden.
Wie wichtig diese traditionelle Beerdigungsrituale bei den Xhosa sind, weiß Luvuiu. Er gehört selbst zu den Xhosa und trauert um seine Mutter, die fast zur gleichen Zeit Nelson Mandela gestorben ist. "Wenn wir unsere Toten nicht nach der Traditon beerdigen, dann könnten viele Menschen sterben. Oder verrückt werden. Andere, die vielleicht nach einem Job suchen, werden keine Arbeit finden." Bevor der Sarg bewegt werden darf, so erklärt uns Livuiu, muss dem Geist der Toten gezeigt werden, wohin er gehen muss. Erst dann kann die Prozession beginnen. Anderenfalls würde die Gemeinde den Zorn der Toten auf sich ziehen. "Wir sind davon überzeugt, dass der Geist der Toten noch unter uns weilt. Wenn wir nicht mit ihm sprechen, dann könnte er zurück ins unser Haus kommen und das wäre ein großes Problem.“
Zurück zu den Dorfbewohnern in Qunu. Die Videoleinwand fernab der Beerdigung – wie solle man da überhaupt begreifen, dass Mandela wirklich von ihnen gegangen sei, fragen sich viele. Ein kleiner Trost: Morgen, wenn alles vorbei ist, dürfen einige Bewohner Qunus etwas Dorferde zum Grab Mandelas bringen.
Stand: 15.04.2014 10:37 Uhr
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