So., 02.10.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Thailand: Affen pflücken Kokosnüsse
Die Methode ist uralt und Kokosbauer Luesak Pattanawat hat das Wissen darüber von seinem Vater übernommen. Geduldig trainiert er seine Affen, damit sie auf Kommando Nüsse oben in den Kronen der Kokospalmen ernten. „Die Affen sind viel schneller als wir Menschen. Sie können von Baum zu Baum springen, müssen nicht immer wieder herunterklettern und sie wissen sogar, welche Nüsse erntereif sind,“ sagt Luesak Pattanawat. Soweit wäre alles, wie es immer war. Aber im fernen Europa und den USA regt sich Widerstand gegen diese Erntemethode. Tierschützer:innen sagen, das sei Quälerei und nicht artgerecht. Erste Boykottaufrufe gibt es schon. Luesak Pattanawat versteht das nicht.
Ohne Affen keine Ernte
Es hagelt Kokosnüsse in der Plantage. Denn "Der Große", wie sie ihn nennen, ist heute gut drauf. Affentrainer Luesak Pattanawat kann zufrieden sein, denn sein Lieblings-Affe springt von Baum zu Baum, ohne dass er müde wird. Trotz drückender Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit! Schon seit Genrationen setzen die Bauern hier in der Region Surat Thani Makaken-Affen bei der Kokosnuss-Ernte ein. Ohne die Affen wäre die Ernte nicht möglich, sagt Luesak. "Ganz früher gab es auch Menschen, die sich das zugetraut haben, aber inzwischen nutzen wir nur noch Affen. Einige der Kokosnuss-Bäume sind 20 bis 30 Meter hoch, und dann kommt noch der Wind… Außerdem springen die Affen von Baum zu Baum. Sie müssen nicht rauf und runterklettern. Das ist sehr einfach".
Mit seinen Affen zieht der 58jährige von Plantage zu Plantage. Die Tiere haben ihm und seiner Familie zu bescheidenem Wohlstand verholfen. Schon sein Vatter hat Affen für die Kokosnuss-Ernte trainiert. Eine Familientradition. Mit der es allerdings jetzt bald vorbei sein könnte! Denn eine große Tierschutz-Organisation will diese Art von Tier-Arbeit stoppen – Tierquälerei der Vorwurf! Peta kämpft gegen den Einsatz von Affen bei der Kokosnuss-Ernte. In einem Büro weit weg von den thailändischen Plantagen fordern die Tierschützer das Verbot von Kokosnuss-Produkten, die von Affen geerntet worden sind. "Die Affen werden meist als Jungtiere von ihren Familien aus der Natur gerissen, dann in Ketten gelegt, und müssen jeden Tag Hunderte Kokosnüsse von den Bäumen holen", so Lisa Kain von Peta. "Das ist absolut artwidrig. Die sozialen Tiere werden oft einzeln gehalten, werden in der Zeit, in der sich nicht arbeiten müssen, in Ketten angelegt, oder in Käfige gesperrt, das heißt, diesen Affen wird wirklich alles genommen, was ein erfülltes Leben für sie bedeuten würde."
Tierrechtsorganisation PETA: Tierleid stoppen
Für Luesak sind die Makaken Grundlage seines Familieneinkommens. Und wertvoll. Deswegen trainiert er die Tiere regelmäßig. Damit sie lernen, wie sie Kokosnüsse von den Bäumen lösen. "Dieser Affe zum Beispiel ist schon fünf oder sechs Monate bei uns, Er kann inzwischen ein paar der Koksnüsse ernten. Er ist ja noch jung. Wenn wir einen Affen trainieren, dann sollte er nicht jünger als zwei Jahre und nicht älter als drei Jahre sein, sonst wird es schwer" Nicht länger als 15 Minuten am Stück übt er mit den Tieren, denn sonst werden sie müde. Zweimal am Tag füttert der Trainer seine Affen. Die werden die ganze Zeit an einer Kette gehalten – damit sie nicht weglaufen. Ihre Freiheit bleibt den Makaken nicht. Sie sind gefangen, Nutztiere! "Affen sind nicht einfach zu zähmen, es ist wie mit Elefanten, Pferden, Kühen und Büffeln. Man muss sie an einer Leine halten. Wenn wir das nicht tun würden, wären wir verrückt. Sie würden alles kaputt machen, sie können wirklich boshaft sein. Deswegen müssen wir sie an einer Leine halten"
"Es ist natürlich so, dass wir verstehen können, dass Menschen, die das schon seit hunderten von Jahren tun, und natürlich auch ihre Existenzen davon bedroht sind", sagt Lisa Kainz von Peta. "Aber, wir brauchen hier den Fortschritt, um das Tierleid zu stoppen, denn die Affen können ja nichts dafür, dass sie in die Tradition der Erntemethoden verwickelt sind." Tatsächlich sind Kokosnuss-Produkte wichtig in der thailändischen Küche. Aber auch mit der Ausfuhr verdienen die Lebensmittel-Produzenten viel Geld. Kein anderes Land exportiert so viel Kokos-Milch, Kokos-Öl und Kokos-Raspel. Weil jetzt erste Lebensmittelketten in den USA thailändische Produkte aus dem Sortiment genommen haben, ist auch der Lebensmittelverband alarmiert. Aber was tun? Der Vorsitzende versucht zu beschwichtigen. Wenn Affen eingesetzt würden, dann doch nur, um Touristen zu unterhalten. Ansonsten spielen die Tiere bei der Ernte keine Rolle, erklärt er. "Die Affen werden hauptsächlich bei touristischen Veranstaltungen eingesetzt, nicht für die Kokosnuss-Industrie", erklärt Trust Thangsombat. "Und wir können nachvollziehen, von welcher Plantage die Kokosnüsse stammen, die in den Export gehen. Wir sind sicher, dass keine Kokosnüsse, die von Affen geerntet wurden, ins Ausland verkauft werden."
Tierschutz gegen Tradition
Auch in Luesaks Garten haben Touristen schon beim Training zugeschaut. Aber fast täglich setzt er seinen sieben Affen auf den Plantagen ein. Damit verdient er sein Geld! Tierquälerei sei das aber nicht, sagt er, außerdem habe er eine staatliche Genehmigung, die Affen so zu halten. Kokosnüsse ernten die Affen auch auf Luesaks eigener Plantage. Den größten Teil verkauft er dann an Zwischenhändler. Was die mit den Früchten machen, weiß er nicht. Am Nachmittag schält er mit seiner Frau ein paar der reiferen Nüsse, den Kokos-Raspel verkaufen sie frisch an Kunden aus der Nachbarschaft. "Wir haben in unserem Leben immer das hier gemacht", sagt Chunthip Pattanawat, "wir werden so weiterarbeiten, bis es nicht mehr geht." Luseak und seine Frau fühlen sich der Kultur verbunden, was die Tierschützer aus dem fernen Europa fordern, können sie nicht verstehen. Es ist ein Konflikt zischen Tierschutz und Traditionen, bei dem es keine Lösung gibt.
Autor: Clas Oliver Richter, ARD-Studio Singapur
Stand: 02.10.2022 22:04 Uhr
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