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Thailand: Die Schatztaucher von Bangkok

Thailand: Die Schatztaucher von Bangkok | Bild: SWR

Seine Verbindung zur Oberwelt sind ein Plastikschlauch und ein altmodischer Taucherhelm: Sommat Saengthong taucht, seit er 15 ist. Er sucht nach Schätzen im Chao Phraya, dem Fluss der mitten durch die Millionenstadt Bangkok fließt. Die Schatztaucher finden Buddha-Statuen, Amulette, Münzen – bringen aber auch mal eine Kamera zurück, die Touristen ins Wasser gefallen ist.

30 Taucherfamilien gibt es in Bangkok, sie tasten in der dunklen Tiefe des Flusses nach Schätzen – früher fanden sie viel, heute weniger. Aber noch leben sie davon, und zwar auf Pfahlbauten direkt über dem Wasser. In diesen Tagen trauern sie um König Bhumibol. Sumat hat ihn live gesehen, als er bei einer Schiffsparade direkt an den Häusern der Taucher vorbeigefahren ist.

Auf Schatzsuche im Chao Phraya

Bei den Wellen muss man mutig manövrieren - um über Wasser zu bleiben. Dabei wollen Sommat und sein Helfer gleich ohnehin freiwillig über Bord. Als Fluss-Taucher suchen die beiden nach Schätzen. Im legendären Chao Phraya in Bangkok. "Das erste mal bin ich mit 15 hier abgetaucht", erzählt der Flusstaucher Sommat Saengthong. "Es war so dunkel. Um meinen Helm herum pfiff der Wind. Und unten im Wasser hörte ich das Brummen der Schiffsmotoren. Es war furchteinflössend."

Fluß Chao Phraya in Bangkok
Der Chao Phraya fließt mitten durch die Millionenmetropole Bangkok. | Bild: SWR / SWR

Der Chao Phraya fliesst mitten durch Bangkok. Ein riesiger Fluss, voller Lastkähne, Ausflugsdampfer, Fähren, Schnellboote und dazwischen irgendwo Sommat Saengthong und sein Helfer, die Schatztaucher. Seit Jahrzehnten tauchen sie an den Ufern des Chao Phraya nach kleinen und grossen Schätzen. Buddha-Statuen, Amulette, Ringe. Antiquitäten oder Nippes. Alles was in den Fluss gefallen ist: die Schatztaucher wollen es wiederfinden. "Der Chao Phraya ist sehr tief", sagt Sommat Saengthong. "In der Mitte des Flusses gibt es eine richtige Schlucht. Es gibt Felsen, umgestürzte Bäume, Schiffswracks. Da musst Du irgendwie durch. Vor allem darfst du Dich mit deinem Atemschlauch nirgendwo verfangen. Sonst wars das."

Die Sicht ist gleich null

Sommats Lebensversicherung ist der selbstgebaute, silbrige Helm. Durch einen Schlauch strömt Atemluft in die Glocke. Der Helm wiegt 24 Kilo, einmal im Wasser drückt er den Taucher in die Tiefe - ein Hauch von Jules Verne. Die Sicht ist schon nach einem Meter gleich null. Die Taucher tasten sich nur mit den Händen vor. Alles hier unten, müssen sie im Schlamm erfühlen, ertasten, erahnen. Schwerstarbeit. Nach 30 Minuten hangelt sich Sommat durch die Dunkelheit nach oben – an die Luft. Völlig erschöpft. Aber mit Beute. Ein paar Opiumpfeifen, ein paar Münzen.  "Wie das hier alles im Fluss landet? Hier fahren so viele Schiffe lang. So viele Menschen sind auf dem Fluss unterwegs. Und jeder verliert irgendwas in den Fluten."

Häuser auf Stelzen am Flußufer
30 Taucher-Familien leben noch am Ufer des Chao Phraya. | Bild: SWR

Auf hölzernen Stelzen am Ufer des Chao Phraya – hier leben sie, die Taucher. Einfach, aber idyllisch. Kein Autolärm, nur das Tuckern der Schiffe, das Plätschern der Wellen. Insgesamt 30 Taucher-Familien gibt es in Bangkok. Seit 100 Jahren steigen sie von hier aus in die Fluten. Die alte Dame kann schon lange nicht mehr gehen und nur noch sitzen. Aber auch sie war früher einmal Fluss-Taucherin. "Früher konntest Du gut vom Tauchen leben. Aber heute? Die jungen Taucher kommen immer zu mir und sagen, "Grossmutter, wir haben schon wieder nichts gefunden." Vielleicht, denke ich dann immer, sind alle Schätze schon geborgen."

Der König ist überall präsent

Bei Sommat zu Haus sieht es aus wie in jedem anderen Zuhause in Thailand: der geliebte König überall, der gerade verstorbene Bhumibol Adulyadej. Daneben die vielen schönen Kuriositäten aus dem Fluss: Flaschen, Ringe, Amulette, Münzen. Einige zeigen den jungen König, da war er gerade erst gekrönt. Stücke aus alten Zeiten: "Das erste Mal habe ich Bhumibol bei der königlichen Schiffsparade gesehen. Gleich vor unserem Haus. Ich liebe den König. Er war immer für uns unterwegs. Er ist durch den Regen gelaufen und durch den Matsch. Es gibt niemanden sonst, der sich so aufgeopfert hat."

Münze in Hand
Manche Fundstücke erzählen von der langen Geschichte Thailands. | Bild: SWR

Alles, was Sommat aus dem Fluss geangelt hat, erzählt irgendwie von der reichen Kultur Thailands. Früher gab es keine Portemonnaies, sagt Sommat. Die Münzen wurden an einer Kordel um den Körper getragen. Deshalb auch die Löcher in der Mitte. Für so eine Münze gab es früher eine Nudelsuppe. "Du weisst nie, welche Schätze da unten auf Dich warten. Manchmal ruft auch ein Hotel an. Weil einem Tourist die Kamera ins Wasser gefallen ist. Die sind dann immer überglücklich, wenn wir die finden."

100 Euro die Woche auf dem Antik-Markt

Einmal in der Woche geht Sommat auf den Antik-Markt. Um seine rostigen Schätze an Sammler und Händler weiter zu verkaufen. Wenn es gut geht, verdient er damit 100 Euro die Woche. Heute hat Sommat noch etwas vor. Und dafür hat er sich ganz in Schwarz gekleidet. Thailand trauert um seinen geliebten König. Auch Somat und seine Frau wollen Abschied nehmen. Ein Gebet für den verstorbenen König Bhumibol. "Wir sind an einem historischen Punkt. Der König ist gestorben, ein neuer wird kommen. Wenn wir Thailänder zusammenhalten, wie es der König immer gewünscht hat, dann geht es friedlich weiter in unserem Land."

Taucher mit Helm geht ins Wasser
Mit 24 Kilogramm auf dem Kopf geht es in die Tiefe. | Bild: SWR

Sommat will später nochmal raus auf den Fluss. Aber ohne seinen Helm geht nichts. Der Stahlkoloss stammt noch von seinem Vater - zusammengeschweisst vor 60 Jahren. Manchmal träumt Sommat, wie es wäre, wenn er seinen Helm gar nicht mehr bräuchte. Wenn plötzlich kein Wasser mehr auf dem Chao Phraya fliesst und er alle Schätze wie im Spaziergehen aufsammeln könnte. "Wenn das für einen Tag passieren würde, na okay. Aber für länger? Lieber nicht. Sonst kommen alle und suchen. Und nichts bleibt mehr übrig für uns."

Fast überall in Bangkok sind die Ufer des Chao Phraya erschlossen. Mit Hotels, Restaurants, Wohnhäusern. Wo jetzt die Taucher leben, ist eine Promenade in Planung. Verlieren Bangkoks Fluss-Taucher bald ihre Heimat? Mit glänzendem Helm steigen sie in die Fluten, wie die Ritter der Unterwasserwelt Ein Abenteuer. Wer weiss, wie lange noch!

Eine Reportage von Philipp Abresch (ARD-Studio Singapur).

Stand: 13.07.2019 05:58 Uhr

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