Mo., 20.03.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Uganda: Schach ist ihr Leben
Träume werden an Orten wie diesem eigentlich NICHT wahr. Eigentlich.
Aber mitten in Katwe, dem größten Armenviertel von Ugandas Hauptstadt Kampala, ist die "Som Schach Akademie". Die Kinder, die hier herkommen, gehören zu den Ärmsten der Armen. Manche gehen nicht mal zur Schule, weil ihre Eltern sich die Hefte und Stifte nicht leisten können.
"Von Schach hatte ich vorher noch nie etwas gehört oder gesehen"
So war das auch bei Phiona. Sie ist noch ärmer, noch schmutziger als die anderen Kinder. Doch die neunjährige Phiona ist mutig – und wehrt sich. Ungewöhnlich für ein Mädchen. "Ich war so hungrig, deshalb bin ich meinem Bruder zu diesem Schach-Ort gefolgt. Weil ich wusste, dass es dort etwas zu essen gibt. Von Schach hatte ich vorher noch nie etwas gehört oder gesehen. Aber ich wollte da rein und ich wollte die Figuren anfassen und fühlen."
Die echte Phiona ist heute – zehn Jahre später – ein Vorbild für die Kinder in der Schach-Akademie von Katwe. Ihr Trainer Robert Katende hat ihr das Spiel beigebracht. Und die Ideen dahinter: Probleme im Voraus sehen und lösen. Überleben, auch wenn alles aussichtslos erscheint.
Welcher Schachzug führt sie aus diesem Elend?
"Wir wollen die Werte und Prinzipien des Schach-Spiels in das Leben der Kinder hier integrieren. Es geht darum, nicht darüber nachzudenken, was man NICHT hat. Sondern sich darauf zu konzentrieren, wie man seine Ziele erreichen kann, mit dem was man hat", sagt Robert Katende.
Phiona fasziniert dieser Gedanke. Welcher Schachzug führt sie aus diesem Elend? Sie übt und übt. Und tatsächlich. Mit elf Jahren gewinnt sie die ugandischen Juniormeisterschaften. Phiona reist um die Welt. Mit 14 tritt sie für Uganda bei den olympischen Spielen in Sibirien an.
"Ich habe auf einmal eine völlig neue Welt kennengelernt. Ich hatte noch nie eine Toilette mit Spülung gesehen. Oder eine Dusche benutzt. Ich wusste auch nicht, wie es ist, ein ganzes Bett für sich alleine zu haben. Aber Coach Robert hat uns das alles beigebracht. Es ging nicht mehr nur ums Schachbrett. Es ging um mein Leben", erzählt sie.
Mit Schach aus dem Slum
Dafür arbeitet Coach Robert unermüdlich weiter. Er organisiert Schach-Seminare für die Kinder aus dem Slum. Er will, dass sie alle die Chance bekommen, ihren Horizont zu erweitern. Die Spenden, die er mit seiner Akademie sammelt, fließen wieder zurück an die Kinder. Bisher hat Robert Katende mit seinem Projekt mehr als 80 Kindern die Schule finanziert.
Phiona konnte mit ihren Preisgeldern ein Haus auf dem Land kaufen. Mit einem kleinen Garten, wo ihre Mutter nun ihr eigenes Gemüse anbauen kann. "Ich bin so stolz auf meine Tochter. Früher haben wir auf der Straße gehaust. Und wir hatten manchmal tagelang nichts zu essen. Doch jetzt habe ich mein eigenes Zuhause und meine eigene Ernte. Ich kann sogar anderen etwas abgeben".
Neues Leben, zweites Zuhause
Für Phiona ist die Schach-Akademie ihr zweites Zuhause. Und die Kinder ihre zweite Familie. Als sie ganz unten war im Leben, wurde sie hier aufgefangen. Von ihrem Glück möchte sie etwas zurückgeben. "Schach hat mein Leben komplett verändert. Ich war ein Nichts. Und jetzt habe ich etwas geschafft. Niemand hätte das geglaubt. Deshalb möchte ich diejenigen ermutigen, die nichts im Leben haben."
Phionas Geschichte macht Mut. Eine wahre Geschichte – fast wie im Märchen.
Autorin: Shafagh Laghai / ARD Studio Nairobi
Stand: 14.07.2019 04:27 Uhr
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