So., 27.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ukraine: Menschen auf der Flucht
Überall wird den Flüchtlingen geholfen
Seit drei Tagen gibt es Krieg in der Ukraine, seitdem drängt alles an die Grenzen. Die Menschen stehen stundenlang an, um das Land zu verlassen. Die meisten sind Frauen und Kinder, Männer unter 60 Jahren kommen nicht mehr raus. Mitten im Gewühl treffen wir den kleinen Nikita. Seine Mutter ist mit ihm und seinem Bruder letzte Nacht überstürzt aufgebrochen. Für 40 Kilometer haben sie den ganzen Tag gebraucht. Plötzlich hält ein rumänischer Wagen neben der Familie. Ana und Marcel, ein Ehepaar aus der Umgebung, wollen helfen. Kurz entschlossen nehmen sie die Familie mit nach Hause. Auf Facebook haben sie erfahren, dass Unterkünfte gesucht werden und stellen nun Schlafplätze in ihrem Haus zur Verfügung. Larisa und ihre Kinder sind völlig erschöpft.
Marcel und Ana kümmern sich um die Familie, die sie grade mal seit 10 Minuten kennen. "Wir sind fühlen mit ihnen. Denn schauen Sie mal, in welchem Zustand sie hier angekommen sind", sagt Marcel. "Wir müssen ihnen einfach helfen." "Wir werden sie nach oben bringen, sie werden in der Mansarde wohnen, dort wo unsere Kinder gewohnt haben", sagt Ana. "Sie sind an der Uni, also können sie jetzt dort wohnen." "Haben die Kinder schon was gegessen?", fragt Marcel. "Nur ein paar Stück Kuchen". Seit 18 Stunden sind die drei inzwischen auf den Beinen. "Sie will, dass ich ihr ein bisschen Wasser aufwärme" sagt Ana, "damit sie ihm die Milch vorbereitet. Denn das Kind hat Hunger." Nachdem die Kinder versorgt sind, will Larisa versuchen, ihren Mann anzurufen – bisher hat sie nichts von ihm gehört.
Auch im Nachbarland, der Republik Moldau, ist die Hilfsbereitschaft groß. Doch offen sprechen wollen wenige. Die ehemalige Sowjetrepublik hat immer noch russische Soldaten in einem Teil des Landes stationiert. Viele fürchten, dass das Land als nächstes Teil der russischen Expansion werden könnte. "Infolge der zunehmenden Präsenz russischer Truppen (in der Region Odessa) kann es böse Folgen für die Republik Moldau geben", meint der Politikexperte Ion Tabirta. "Entweder können ihr Territorien entrissen werden oder sie wird einverleibt".
Es wird nie mehr so sein wie zuvor
Auch die anderen Anrainerstaaten der Ukraine fühlen sich von Russland zunehmend bedroht. Der Konflikt kommt mit den Geschichten der Menschen in der EU an. Die ungarischen Hotels in Grenznähe sind voll mit geflüchteten Ukrainern. Daria teilt sich ein Zimmer mit ihrer Schwiegermutter. Sie haben nur das nötigste dabei, Zeit zum Packen war nicht mehr: "Mein I-Pad, einige Hosen, das ist es eigentlich, er ist halb leer, ich wusste nicht was ich einpacken sollte". Darias Mann, der ja auch Olenas Sohn ist, ist noch in der Ukraine.
Olena zeigt uns noch ihr wichtigstes Gepäck. "Im letzten Moment hab ich noch beschlossen ein paar Fotos mitzunehmen, es ist wichtig unsere Erinnerungen an das Leben vor dem Krieg zu bewahren." Die beiden Frauen organisieren nun Hilfe für die Ukraine aus dem Ausland, sammeln Spenden, vermitteln Hilfsgüter. Das lenkt ab. Doch nachts kommen die schrecklichen Ängste zurück erzählt Daria. "Jedes Mal, wenn ich aufgewacht bin, dachte ich immer es ist ein Traum. Ich wache jetzt auf und alles ist wieder normal. Aber dann realisierst du, es wird nie mehr so sein wie davor." Sie wollen erstmal weiter nach Budapest, den Platz frei machen für die, die nachkommen.
Müde Menschen – Menschen, die sich nach einer hektischen Flucht wiederfinden und andere die sich verabschieden, wie diese Großmutter und ihre Enkelin. In allen Nachbarländern stoßen sie auf überwältigende Solidarität. Zurück zu Marcel und Ana, dem rumänischen Ehepaar, das die ukrainische Mutter und ihre beiden Söhne aufgenommen hat. Larisa hat ihren Mann inzwischen erreicht, es geht ihm gut. Aufatmen, zumindest für den Moment – und etwas essen. "Wer hätte gedacht, dass es im 21. Jahrhundert noch einen solchen Krieg geben könnte", sagt Ana. Morgen will Larisa mit ihren beiden Jungen nach Italien – ihre Mutter lebt dort. Marcel und Ana wollen ihr auch dabei helfen.
Autorin: Anna Tillack, ARD-Studio Wien
Stand: 02.03.2022 11:36 Uhr
Kommentare