So., 17.07.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ukraine: Gesundheitssystem vor dem Kollaps?
Ein städtisches Krankenhaus in Kiew. Wir sollen nicht sagen, wo es ist: Sicherheitsbedenken. Sie werden uns ihre neue Wirklichkeit zeigen: Verwundete Soldaten und Zivilisten, die sie jetzt behandeln, zum Beispiel diesen Offizier: sein Bein wurde durch einen Bombensplitter schwer verletzt. Er braucht nur noch eine OP. Dr. Timur behandelt ihn, aber hat bis zum Februar noch nie im Krieg gearbeitet: "Im Krieg sind alle Verletzungen schwierig. Die kompliziertesten Fälle sind Minenexplosionen, ähnlich wie bei Krebs wird das Gewebe zerstört."
Gerät das Gesundheitssystem unter Druck?
Ärztinnen, Pfleger, Sanitäter sind geflohen, wurden einberufen oder sind im Krieg getötet worden. Wie viele jetzt tatsächlich fehlen, sagt keiner. Etliche arbeiten viel mehr als sonst, um im Krieg zu helfen. Arzt oder Schwester verdienen zirka 700 bis 1000 Euro, viele haben noch einen zweiten Job.
Wir hören, dass es ohne Spenden und Hilfe aus dem Ausland gar nicht geht. Das gilt für zivile Krankenhäuser und das Militär, beschreibt uns ein Militärarzt: "Wenn der Krieg länger dauert, wird das Gesundheitssystem zusammenbrechen. Ich bin sicher, es wird weniger Hilfe von Freiwilligen und Spendern geben, denn niemand wird zum Beispiel fünf Jahre lang bereit sein, zu helfen. Wer weiß schon, wie lang der Krieg dauert."
Hier in der plastischen Chirurgie warten sie auch auf Material und mehr Expertise. Sie führen sie uns zu Katja. Sie hat den Raketenangriff auf das Einkaufszentrum in Krementschuk überlebt, ihre Mutter nicht: "Mein Leben ist zerstört. Ich habe jetzt mein Diplom, bekam einen Job, hatte eine Mama, alles ist zerbrochen durch die Raketen, die sie auf das Zentrum warfen."
Die Ärzte sagen, es sei nicht sicher, was aus ihrem Bein werde. Sie versuchen alles, um es zu retten, in einem Gesundheitssystem, auf das noch viel mehr Schwerverletzte zukommen könnten.
Autorin: Isabel Schayani, ARD Kiew
Stand: 17.07.2022 22:14 Uhr
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