So., 20.03.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ukraine: Wir bleiben in Kiew
Alina Gorlova hat nur kurz darüber nachgedacht, die Hauptstadt zu verlassen. Aber sie bleibt und filmt. Dokumentiert die Tage des Krieges und ihr Leben. Marko ist ein junger Bürgerreporter. Er kämpft nicht an der Front – noch nicht zumindest. Aber ich helfe, wo ich kann, sagt er. Und er schickt Video-Eindrücke auch aus der Hauptstadt. Kriegstagebücher – aus zwei Perspektiven.
Freiwillige Helfer sind überall im Einsatz
"Hallo, Ich bin Alina Gorlova, Filmemacherin aus der Ukraine. Ich bin in der Stadtmitte von Kiew, auf dem Platz der Unabhängigkeit. So siehts hier im Moment aus: Die Menschen versuchen, jede Straße, jeden Kilometer unseres Landes zu verteidigen." Sie und ihre Filmcrew sind geblieben, um den Krieg zu dokumentieren und um zu helfen. "Hier haben wir Brot für die Menschen, Wasser und ein paar Süßigkeiten. Ich hoffe, dass wir damit ein paar Leute versorgen können." Dienstagnachmittag, kurz vor der Ausganssperre. Es geht tief hinab in eine der großen U-Bahn-Stationen von Kiew. Nur filmen, dürfen sie hier eigentlich nicht. Anordnung des Militärs, um die Zivilsten, die hier Zuflucht gefunden haben zu schützen. Diese Frau und ihre zwei Kinder leben seit fast zwei Wochen unter der Erde. Sie ist nur eine von vielen, die an diesem Tag Hilfe von Alina und ihren Freunden erhält.
Freiwillige in einem Verteilungszentrum mitten in Kiew. Ihre Waffe in diesem Krieg: Organisation und eine gute Logistik. Ein Anruf von der Front: "Ich könnte euch Funkgeräte anbieten, wenn ihr sie braucht, ich schreibe das auf die Liste und wir liefern sie später", sagt der freiwillige Helfer Nazar ins Handy. Funkgeräte ja, welche habt ihr? "Motorola, analog natürlich". Militärkleidung, Schlafsäcke aber auch Drohnen und schweres Tarnnetz. Das alles geht direkt an Militär- und Bürgersoldaten in den umkämpften Bezirken in Kiew. Sachen im Wert von rund 300.000 Euro hätten sie hier seit Beginn des Krieges schon gesammelt und verteilt; Unterstützung käme vor allem aus Europa, Kanada und den USA. Stolz zeigt uns dieser Freiwillige den Fuhrpark. "Gestern haben wir das Auto zwei Mal voll mit den Medikamenten beladen", erzählt der Helfer Marco Melnyk. "Jetzt müssen wir sie sortieren und damit ca. 10 Militäreinheiten, und alle die bei uns anfragen, beliefern."
Der Krieg ist zum Alltag geworden
Für sie ist der Krieg Alltag geworden. Sie haben sich hier eingerichtet. Bis auf eine warme Dusche, die gibt es nur daheim. Doch von Dienstagabend bis Donnerstagmorgen muss jemand während der Ausgangssperre die Stellung halten. "So, oder so. Ich schlafe heute hier und ihr könnt euch entscheiden: warmes Wasser oder Sieg!" "We’re sleeping here, we‘re living here." Alina zeigt uns das Appartement, in dem sie zurzeit leben. Ihre eigene Wohnung hat sie verlassen. Im Gebäude fühlte sie sich nicht mehr sicher. 35 Stunden dürfen sie jetzt nicht mehr auf die Straßen – immer wieder hören sie die Bomben und Sirenen. "Heute hab ich ein Burnout", sagt Alina. "Ich habe einfach keine Kraft überhaupt irgendetwas zu machen."
Samstagmorgen: Noch fühlen sie sich hier einigermaßen sicher. Zwar sind die Geschäfte sind geschlossen, nur noch wenige Supermärkte und Cafés haben auf. Doch Alina und ihre Freunde haben ein bisschen Glück an diesem sonnigen Tag: warmer Kaffee, Frühstück – eine Ausnahme. Der Besitzer des Cafés hat ihnen Blumen geschenkt. Die Menschen in Kiew versuchen die Moral hochzuhalten.
Autoren: Vera Rudolph und Alexander Stenzel
Stand: 20.03.2022 21:38 Uhr
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