Mo., 23.01.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Angriffe von rechts
Winterwunderland nennen die Bürger Montanas ihren Staat. Wer hier lebt, empfindet das Eis nicht als Fluch, sondern als Segen. Denn darunter scheint alles zu bleiben, wie es ist. Die überwiegende Mehrheit der Menschen hier ist weiß und gottesfürchtig. Doch unter seinen Augen gerät dort unten im Tal die Nächstenliebe in Gefahr.
Das Klima hat sich verändert
Eigentlich lebt Familie Han hier ihren amerikanischen Traum. Jennifer ist in der Kleinstadt Whitefish aufgewachsen und hat eine Familie gegründet. Hier will sie mit ihrem Mann alt werden. Young wurde in Korea geboren, seine Eltern flohen vor der Armut in die USA. Young machte Karriere als Zahnarzt.
Doch jetzt überlegen die Hans wegzuziehen, denn die Kinder fühlen sich in letzter Zeit in der Schule nicht mehr wohl: "Kinder in der Klasse meines Bruders mögen Donald Trump. Und sie haben gesagt, dass Donald Trump es nicht mag, wenn Leute aus anderen Ländern nach Amerika kommen."
"Deshalb hat unser Bruder Mama gefragt: Wird Papa jetzt deportiert. Oder muss Papa das Land verlassen?"
Familienvater Young leidet darunter, dass sich das Klima in Whitefish so verändert hat: "Das war sehr frustrierend und hart. Ich denke, die Kinder, die das gesagt haben, haben das irgendwie, irgendwo aufgeschnappt. Aber wahrscheinlich haben sie das von Erwachsenen gehört, und es frustriert mich, dass ich wirklich nicht weiß, wer mich anklagt und welche negativen Gefühle ich da ausgelöst haben könnte."
Zeichen setzen gegen den Hass
Um ein Zeichen gegen den Hass zu setzen, macht sich die ganze Familie Han auf den Weg zu einer Demonstration in der Stadt. Auch Hillery und ihre Tochter Sonali werden an der Kundgebung teilnehmen. Ihre Familie ist jüdischen Glaubens, ihr Großvater überlebte in Deutschland ein Konzentrationslager. Sie schreibt an einer Rede, die sie halten möchte, um an die Geschichte der Verfolgung ihres Großvaters durch die Nazis zu erinnern.
Denn sie erlebt in diesen Tagen, wie im Internet Hetze gegen jüdische Freunde von ihr in Whitefish betrieben wird. Man hat manipulierte Fotos von ihnen mit Symbolen aus der Nazizeit ins Internet gestellt. Offenbar, weil sie sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Dahinter steckt eine rechtsextreme Webseite namens "Der tägliche Stürmer". "Diese Bedrohung ist sehr real und diese Leute sind sehr unheimlich. Sie sind voller Hass, meistens bewaffnet und ziemlich gefährlich. Aber diese Bedrohung existiert in jedem Staat, nicht nur in Montana."
Auch wenn sie damit riskiert, selbst ins Fadenkreuz der Neonazis zu geraten, Hillery will unbedingt ihre Rede halten. "Ich bin sehr aufgeregt. Ich kann es nicht erwarten, zu sehen, wie meine Stadt zusammensteht. Wie wir das Gute und das Glück betonen und unsere Stimmen hören."
Trotz Eiseskälte versammeln sich mehrere Hundert Bewohner in der Innenstadt von Whitefish – und Hillery hat ihren großen Auftritt: "Wenn ich mit Wut antworte, und ich bin wütend – wie weiß ich, ob ich nicht selbst die Grenze zum Hass überschreite? Und noch eine Frage treibt viele von uns um: Was bedeutet es für die Sicherheit meiner Familie, wenn ich für das aufstehe, woran ich glaube?"
Hillerys Rede hat Familie Han begeistert. Jennifer Han ist stolz bei der Demonstration dabei zu sein. Und ihr Mann Young Han sagt: "Ich bin beeindruckt, wie viele Leute trotz minus 10 Grad gekommen sind, wie gut das hier organisiert ist. Und ich bin dankbar, dass die Polizeibeamten das Ganze hier beschützen."
Richard Spencer und die "Alt-Right"-Bewegung
Liebe statt Hass. Der Titel der Demo ist sehr allgemein gehalten. Doch jeder hier weiß, dass sich der Protest auch gegen einen Sohn der Stadt Whitefish richtet. Sein Name: Richard Spencer, der für Donald Trump am rechten Rand mobilisiert hat, mit den Worten: "Heil Trump. Heil unserem Volk. Sieg Heil."
Spencer gilt als Kopf der so genannten "Alt-Right"-Bewegung. Das steht für "Alternative Rechte". Dahinter verbirgt sich ein Sammelbecken für nationalistische und rassistische Ideen. Nur noch ein Fluss trennt Spencer vom Zentrum der Macht. In Washingtons Nachbarstadt Alexandria hat er gerade ein Büro eröffnet, um besser Einfluss auf die neuen Machthaber ausüben zu können.
Spencer gibt sich auf den ersten Blick gern freundlich und kultiviert. Doch im Interview lässt er keinen Zweifel daran, dass auch diese Familie aus seiner Sicht in den USA nichts zu suchen habe: "Es sind nicht unbedingt nur Vergewaltiger oder Kriminelle. Viele von ihnen sind sicherlich gute Leute. Aber es ist nicht ihr Land. Es ist unser Land. Du kannst der großartigste Mensch unter den Lebenden sein oder ein Genie, aber du wirst nicht hier sein, denn dieses Land ist unseres."
Wir sprechen Spencer auf die Bürger seines Wohnortes Whitefish an, die im Internet beleidigt und bedroht werden, weil sie sich in Gruppen wie "Liebe lebt hier" gegen seinen Rechtsextremismus engagieren. Spencer sagt zwar zunächst, er habe mit den Aktivitäten des "Täglichen Stürmers" nichts zu tun. Doch als wir nachhaken, sind wir über die Offenheit seiner Antwort überrascht:
"All diese Trolle vom "Täglichen Stürmer" kamen nicht ohne Grund. Sie haben Whitefish nicht einfach aus dem Hut gezaubert. Der Grund war, dass jüdische Anführer von Gruppen wie „Liebe lebt hier“ oder dem "Netzwerk Menschenrechte in Montana" mich angegriffen haben. Wenn man sich als politischer Aktivist engagiert, muss man bereit sein, zu kämpfen."
Das Leben in Whitefish ist nicht mehr wie es einmal war
Familie Han will nicht kämpfen, sondern einfach nur friedlich leben. Die Kundgebung in der Stadt hat ihnen etwas Mut gemacht. Sie wollen sich nicht von Extremisten aus ihrem Winterwunderland vertreiben lassen. Auch wenn das Leben in Whitefish nicht mehr ist, wie es einmal war.
Doch bei uns bleibt am Ende das ungute Gefühl zurück, dass sich nicht nur in Whitefish etwas verändert haben könnte, sondern im ganzen Land.
Jan Philipp Burgard/ARD Studio Washington
Stand: 13.07.2019 18:22 Uhr
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