So., 12.01.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Scherbenhaufen Außenpolitik
Welche der zwei extremen Reaktionen wird es diesmal sein. Die verbale Kraftmeierei oder die erdrückende Umarmung. Erst Raketen auf den iranischen General und dann wieder Deeskalation. Alles ist extrem und folgt doch einem Muster: Die Öffentlichkeit vom Impeachment-Verfahren abzulenken und bei seinen Anhängern zu punkten. Dafür ist ihm fast jedes Mittel recht. Dass die Welt dadurch unsicher wird scheint Donald Trump nicht zu interessieren. Eine Analyse.
Besondere Härte gegenüber dem Iran
Sie feiern seine aggressive Außenpolitik. Donald Trump bleibt ihr Idol, der starke Mann Amerikas. Vor Anhängern in Ohio gibt der Präsident den entschlossenen "Commander in Chief" einer Supermacht. Dass Kongress und Medien die von ihm befohlene Tötung des iranischen Generals als eigenmächtig kritisieren, darüber kann Trump nur lachen. "Wie konnten Sie wagen, den so auszuschalten, sie hätten den Kongress um Erlaubnis bitten und uns einweihen müssen – damit wir es an die Lügenpresse durchstecken können."
Damit er das Land nicht in einen Krieg treibt, will ihm die Opposition nun Zügel anlegen. Dabei wolle er doch nur Stärke zeigen, klagt Trump. Es ist kein Zufall, dass der 73jährige den Erzfeind Iran mit besonderer Härte behandelt. Denn wie viele Amerikaner hat er die Geiselkrise von 1979 nicht vergessen. Iranische Studenten hatten damals die US-Botschaft in Teheran gestürmt, um gegen Jimmy Carters Entscheidung zu protestieren, den durch Ayatollah Chomeinis islamische Revolution gestürzten Schah in Amerika aufzunehmen. 444 quälende Tage wurden 52 US-Geiseln festgehalten. Als nationale Schande empfand dies seinerzeit auch ein aufstrebender Unternehmer in New York.
"Dass die unsere Geiseln festhalten ist absolut lächerlich!", sagt Donald Trump Anfang Oktober 1980 "Und dass wir uns zurücklehnen und einem Land wie dem Iran, erlauben US-Bürger als Geisel zu nehmen ist aus meiner Sicht ein Horror." "Sie raten dazu, unsere Jungs mit dem Militär rauszuholen?!" "Genau. Und ich denke nicht, dass es uns irgendwer übelgenommen hätte. Wir hatten das Recht, das zu tun, damals."
Trumps Kalkül: Die Wiederwahl
Erst nach dem Ende der Carter-Präsidentschaft wurden die Geiseln freigelassen, unter ihnen ein junger Diplomat: John Limbert. Der heute 76jährige Iran-Kenner ist gerade nach New York gezogen. Nach Teheran konnte er nie wieder zurück, wo er schon als Student und Lehrer gelebt und seine Frau kennengelernt hatte. Ihr dankte Jimmy Carter für ihre Geduld im Geiseldrama. "Der gefährlichste Teil solcher Entführungen sind die ersten Stunden – das wussten wir!", so John Limbert. "Wenn wir nach 24, 48 Stunden noch am Leben sind, steigen die Chancen, da heil rauszukommen. Dann haben wir schnell verstanden: es ging hier gar nicht um uns."
Limbert glaubte, der in der Iran-Krise wie ein Schwächling wirkende Carter ist für Trump ein abschreckendes Beispiel. Auch deshalb bevorzuge dieser Präsident kurze Militärschläge. "Sein Kalkül ist, so wiedergewählt zu werden, sich aus richtigen Kriegen herauszuhalten und gleichzeitig stark zu geben, tatkräftiger zu wirken als Obama." Mit persischer Poesie tröstet sich John Limbert, dass er den Iran wohl nicht so bald wiedersehen wird. Die ehemalige Geisel fürchtet, mit den Hardlinern in Teheran und Trump lässt sich im wieder explosiv gewordenen Konflikt kein hoffnungsvolleres Kapitel schreiben.
Ablenkung vom Impeachment-Verfahren
Die gezielte Tötung des iranischen Generals – für Trump ein Triumph. Wie so oft sucht er vermeintliche außenpolitische Erfolge sofort innenpolitisch zu nutzen. Nach dem von Irans Schiiten betrauerten Tod ihres Nationalhelden Soleimani fliegt der US-Präsident zu einem Wahlkampfauftritt nach Miami. Sein Publikum: Evangelikale Christen. "Terroristen sollten sich dies eine Warnung sein lassen, wenn Euch Euer Leben lieb ist, bedroht niemals unsere Bürger. Denn Amerikaner sind mehrfach gesegnet. Der größte Segen ist vielleicht der, vom einzigartigsten und vortrefflichsten Militär beschützt zu sein, dass es gibt auf Gottes Erde." Der Applaus seiner Anhänger ist ihm sicher.
Und Trump setzt darauf, dass auch im weniger begeisterten Teil der Bevölkerung der bevorstehende Amtsenthebungsprozess für eine Weile in den Hintergrund rückt. Dass seine Republikaner nun erst recht geschlossen hinter ihm stehen. Für die folgende zehnmonatige Wahlkampf-Schlammschlacht mit den Demokraten bitten seine evangelikalen Freunde um den Beistand Gottes. "Schenke ihm Sieg auf Sieg, möge keine gegen ihn gerichtete Waffe Erfolg haben!" sagt Paula White, Spirituelle Beraterin des Präsidenten. "Möge er himmlischen Beistand haben, stets von Gläubigen umgeben sein und Gottes Willen erfüllen. Amen!"
Autor: Stefan Niemann, ARD-Studio Washington
Stand: 12.01.2020 21:58 Uhr
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