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USA/New York: Die rassistische Seite von Corona

Schwarze Frau mit Mundschutz
Überdurchschnittlich viele Afro-Amerikaner erkranken am Corona-Virus  | Bild: imago

In Harlem geht die Angst um. In dem Stadtteil von New York wohnen überwiegend Afro-Amerikaner und Latinos und unter ihnen wütet das Virus besonders heftig. Statistisch sind 33 Prozent der Corona-Patienten, die in den USA ins Krankenhaus müssen Afro-Amerikaner, dabei macht die Gruppe der Schwarzen nur 13 Prozent der Bevölkerung aus. Sie trifft es härter, denn die schwarze Bevölkerung ist im Schnitt ärmer, sie hat einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsvorsorge und sie ist häufiger von Vorerkrankungen betroffen.

Der Podcast zum Thema "Die rassistische Seite von Corona" ist ab Samstag in der ARD-Audiothek und auf allen Podcast-Plattformen abzurufen.

Jeder kennt eine Familie, die Angehörige durch Corona verloren hat

Harlem, der legendäre Stadtteil, voller Leben und Musik. Saphire gehört zu den "essential workers", den Wichtigsten, ohne die eine Stadt nicht mehr funktioniert. Sie war da, als plötzlich alle zuhause bleiben mussten und ist es noch. Ihre Busrunde führt direkt durch die Gebiete, in denen besonders viele Menschen unter dem Virus zu leiden haben. Weil ihre oft schlecht bezahlten Jobs draußen sind. "Wenn es richtig voll wird in meinem Bus, dann bekomme ich manchmal Angst. Ich erschrecke eigentlich immer wieder. Jedes Mal." Alle Vorsichtsmaßnahmen, das Desinfizieren und die Masken kamen für mehr als 70 ihrer Fahrer-Kollegen zu spät, so viele sind bereits an Covid19 gestorben. "Abends ziehe ich erst die Schuhe aus und stelle sie in eine Tasche und dann alles andere. Und das verpacke ich dann. Wenn ich ins Haus gehe, gehe ich sofort zur Dusche, erst dann begrüße ich alle."

Busfahrerin mit Mundschutz
Saphire gehört zu den "essential workers" | Bild: SWR

Immerhin hat sie noch einen Job, andere In Harlem können kaum noch die Miete bezahlen. Ich bin hier nur ganz wenige Blocks entfernt von dem Ort, wo ich selber wohne und hier sind so viele Menschen in der Schlange, die warten auf Essen. Viele haben gar nichts mehr zuhause. Das Virus hat sie den Job gekostet, die Einnahmen bleiben aus und die Miete muss bezahlt werden. Hier zu stehen fällt ihnen nicht leicht. Jeder kennt eine Familie, die Angehörige verloren hat. Ein Drama, das Schwarze New Yorker und Hispanics besonders hart trifft. Auf den Präsidenten sind sie wütend, weil sie glauben, er habe sie belogen. Wie Carol, die ihren Job bei einer Kreditkartenfirma verloren hat. "Als wir das über Corona herausgefunden haben war es bereits Februar, März. Der Präsident hat das heruntergespielt, es sei ja gar nicht so schlimm, alles wird gut und so. Er hat mit dem Leben der armen Menschen gespielt, und so viele sind gestorben, weil er ein Clown ist."

Schwarze sterben in New York City doppelt so häufig an Corona wie Weiße

Sultana arbeitet für die städtische New York Food Bank. Sie versucht, genug Essen zu verteilen, damit niemand hungern muss, aber die Zahlen der Bedürftigen steigen explosiv an. Denn jeden Tag verlieren mehr Menschen ihr Einkommen und sind auf diese Lebensmittel angewiesen. "Schwarze und braune Menschen haben meist keine Jobs, die man von zuhause machen kann. Sie können nicht einfach vor ihrem Computer sitzen. Und es gibt es noch andere Ungleichheiten bei der Gesundheit. Häufige Diabetes und Herzkrankheiten. Dadurch sind sie sogar noch verwundbarer durch eine Virus-Infektion."

Mann in Bar
Viele sind unzufrieden mit Präsident Trump  | Bild: SWR

Vielleicht deshalb ist gesundes Essen ist neuerdings gefragt, auch in der Saftbar von Dwayne. Ginger, Früchte, Acai-Beeren, alles was die Widerstandskräfte stärkt, läuft noch halbwegs gut. Aber die Stimmung ist auch hier ziemlich schlecht. "Jeden Tag hörst Du von einem Familienmitglied, das gestorben ist, oder erkrankt" meint Jamel. "Das macht Dich fertig." Im Hintergrund läuft die Pressekonferenz des Präsidenten. "In einer Fernsehsendung", so Dwayne, "haben sie gesagt, wir brauchen einen Präsidenten und keinen König. Er versucht die Nation aber wie ein König zu führen." Und dann zeigte er uns noch den neuesten Harlemer Corona-Gruß, den kannte ich noch nicht.

Gleich um die Ecke betreibt die Brasilianerin Maria ihren Waschsalon und das schon seit 25 Jahren. Ihre Nichte hilft mit, Angestellte hat sie nicht mehr. Vor der schmutzigen Wäsche und den Menschen fürchtet Maria sich zwar, aber noch bedrohlicher ist der Einnahmeverlust. "Es ist hart. Ich kann kaum die Miete bezahlen. Gestern wollte ich einen kleinen Kredit vom Staat New York beantragen, aber die Website war schon geschlossen, für uns gibt es nichts mehr." Die Bestatter machen hingegen auch in Harlem Überstunden. Es herrscht Hochbetrieb bei den Beerdigungsunternehmern. Schwarze sterben in New York City doppelt so häufig wie Weiße. Und schon jetzt wird der Platz auf den Friedhöfen knapp.  All das, das Leben und Sterben sieht Saphire auf ihrer Runde durch Harlem – jeden Tag. Ohne die Menschen hier draußen könnten die Menschen drinnen während der Ausgangseinschränkungen nicht weitermachen.

Autorin: Christiane Meier, ARD-Studio New York

Stand: 13.10.2020 12:47 Uhr

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