So., 08.12.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Kenia – Was bewirken 50 Jahre Freiheit?
Mumbi Kaigwa kann eigentlich nicht klagen. Sie gehört zum gehobenen Mittelstand und lebt in einem großen Haus am Rande Nairobis. 51 Jahre alt, geschieden, zwei erwachsene Kinder. Eine bekannte Schauspielerin, die auch in Hollywood- und deutschen Fernsehfilmen mitgewirkt hat. Besonders feiern wird sie die 50 Jahre Unabhängigkeit nicht.
Mumbi Kaigwa, Schauspielerin:
In einem Slum, wo nahezu die Hälfte der Einwohner Nairobis lebt, hat Jaluki Lugesi seine kleine Schneiderwerkstatt.
Er näht Kleider und Hemden – was immer die Kunden im Viertel wollen. Verheiratet, fünf Kinder, wurde er kurz nach der Unabhängigkeit Kenias geboren.
Jaluki Lugesi, Schneider:
Dabei war der 12. Dezember 1963 ein Freudentag. Als einer der letzten Staaten Afrikas wird Kenia unabhängig, und Jomo Kenyatta der erste Präsident des Landes. „Harambe“ – Wir gehören zusammen, war seine Losung.
Es war das Ende eines jahrelangen Kampfes gegen die britischen Kolonialherren.
Und was haben 50 Jahre Unabhängigkeit gebracht?
Mumbi Kaigwa:
Jaluki Lugesi, Schneider:
In den Slums halten sich viele mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Die Schulen sind überfüllt, fünfzig Kinder in einer Klasse keine Seltenheit. Und auch wenn der Unterricht umsonst ist, müssen Eltern für Bücher und Schuluniform bezahlen.
Jaluki weiß nie, wie er dafür das Geld zusammenbringen soll.
Jaluki Lugesi:
Das sind Probleme, die Mumbi nicht hat. Ihr Vater besaß eine große Kaffeeplantage. Er finanzierte ihr Universitätsstudium und ermöglichte ihr später, sich als Künstlerin selbstständig zu machen. So viel Glück haben nicht viele.
Mumbi Kaigwa:
Kenia ist ein gespaltenes Land: Ein paar sind super reich, die Mehrheit hat praktisch nichts. Dazwischen eine wachsende Mittelschicht, die sich mittlerweile auch Autos leisten kann. Nur stecken die meist im Stau: Zu viel Verkehr, zu wenige Strassen.
Nairobis Innenstadt boomt.
Fünf Prozent Wirtschaftswachstum. Also wird gebaut: Je höher, desto besser. Die Stadt gilt als Silikon-Savannah. Ständig neue App-Entwicklungen. Geldüberweisungen per Handy – kein Problem.
Das ist die andere Seite von Nairobi: Wellblechhütten und überfüllte Vorortzüge. Dazu kommt auch Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit die Rivalität zwischen verschiedenen Volksgruppen.
2007 nach den Wahlen gehen sie aufeinander los. Aufgestachelt von Politikern werden Hütten in Brand gesteckt. Es gibt Plünderungen und Morde. Mehr als 1000 Menschen werden getötet, mehr als 100.000 obdachlos. Bis heute wurde deswegen niemand in Kenia verurteilt. Als mutmaßliche Anstifter der Gewalt sind jetzt – Jahre später - der amtierende Präsident und sein Vize vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt.
Jaluki Lugesi:
Mumbi Kaigwa:
Der 50. Unabhängigkeitstag ist für Mumbi nichts Besonderes. Sie lernt lieber den Text für ihre nächste Theaterrolle. Vermutlich wird sie den Tag zu Hause verbringen und sich die Militärparade im Fernsehen anschauen.
Für Jaluki ist der kommende Donnerstag ein staatlicher Feiertag – mehr nicht. Ein Tag, an dem er nichts verdienen kann.
Also wir er seine Schneiderwerkstatt einfach zu machen.
Autor: Peter Schreiber, ARD Studio Nairobi
Stand: 15.04.2014 10:22 Uhr
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